Es liegt ein Zauber über dieser Stadt. Wenn die Morgensonne das Wasser der Elbe glitzern und die berühmte Altstadtsilhouette aufleuchten lässt, dann geraten sogar die Dresdner selbst ins Schwärmen. Und heute mehr denn je, da die mächtige steinerne Kuppel der Frauenkirche das Stadtbild wieder komplettiert. Zu deren Füßen herrscht babylonisches Sprachengewirr: Englisch, Japanisch, Bayerisch – die historische Altstadt ist fest in der Hand der Touristen. Rund 10 Mio. Besucher zählt Dresden jedes Jahr, Tendenz steigend. Die meisten sind auf der Suche nach einem Mythos, nach der barocken Stadt Canalettos, nach dem „deutschen Florenz“, wie Johann Gottfried Herder die sächsische Residenz einst nannte.
Dresden gehört zu den begehrtesten Reisezielen in Deutschland und beeindruckt mit Baudenkmälern, mit Kunst und Kultur. Doch es ist die Elbe, die das Lebensgefühl bestimmt. In weiten Bögen windet sie sich durch die Stadt, vorbei an Weinbergen, herrschaftlichen Schlössern und lauschigen Biergärten, gesäumt von breiten Wiesen, wie man sie so heute in keiner anderen europäischen Großstadt mehr findet. 2004 nahm die Unesco das Dresdner Elbtal dieser Kulturlandschaft wegen in die Welterbeliste auf – infolge des heftig umstrittenen Baus der Waldschlösschenbrücke über die Elbe verlor die Stadt den Titel aber fünf Jahre später schon wieder. Die Dresdner lieben ihre Elbe, in guten wie in schlechten Zeiten. Eine Dampferfahrt oder eine Tour auf dem Elberadweg sind ganz besondere Erlebnisse. An den Flussufern trifft man sich zu Picknick und Lagerfeuer, zu Elbhangfest und Open-Air-Kino. Nicht zuletzt dienten die Elbwiesen beim Rekordhochwasser im August 2002 als natürlicher Überflutungsraum und bewahrten die Stadt vor noch Schlimmerem. Dank steigender Wasserqualität sind nicht nur Elbebiber, Fischotter und Elblachs zurückgekehrt, sondern auch Menschen wagen sich immer häufiger ins kühle Nass.
Die größte Katastrophe seiner Geschichte erlebte Dresden, als britische und amerikanische Bomber in der Nacht des 13. und am darauffolgenden 14. Februar ihre todbringende Last über der Stadt ausklinkten. In einem gewaltigen Feuersturm wurde nahezu die gesamte Innenstadt ausgelöscht, 25 000 Menschen starben. Keiner hätte damals geglaubt, dass aus dem Trümmerfeld jemals wieder ein Ort erstehen könnte, der den Namen Elbflorenz verdient. Doch die Dresdner gaben ihre Stadt nicht auf. Schon am 10. Juli 1945 öffnete das Interimstheater Dresdner Bühnen in der Glacisstraße seine Pforten, mit Erich Ponto als „Nathan der Weise“. Nur einen Monat später begann der Wiederaufbau des Zwingers. Die ebenfalls schwer getroffene und ausgebrannte Semperoper erlebte nach einer Jahre andauernden Rekonstrunktion am 13. Februar 1985 – auf den Tag genau genau vier Jahrzehnte nach ihrer Zerstörung – ihre feierliche Neueinweihung.
Im Herbst 1989 wagten Dresdner Bürger einen ganz anderen Neubeginn, als sie mit friedlichem Protest am 8. Oktober den DDR-weit ersten Dialog mit der Staatsmacht ertrotzten, der schließlich das Ende eines ganzen Systems einläutete. Die politische Wende ermöglichte auch die Wiedergeburt eines weiteren Dresdner Wahrzeichens – der Frauenkirche. Ihre Ruine war als Mahnmal gegen den Krieg zu einem Symbol der Friedensbewegung geworden, weshalb bei weitem nicht alle Dresdner den Wiederaufbau begrüßten. Während der Jahre ihres für alle sichtbaren Wachsens geriet die Frauenkirche jedoch nicht nur zum Sinnbild ostdeutschen Aufbauwillens und Dresdner Bürgerstolzes, sondern durch das Zusammenwirken von Menschen aus der ganzen Welt auch zu einem eindrucksvollen Zeichen der Versöhnung. Im Oktober 2005 erfolgte die Weihe des in neuem alten Glanz wiedererstandenen Gotteshauses.
1748 schuf der venezianische Maler Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, mit seinem Panoramabild „Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke“ eine der berühmtesten Dresden-Ansichten überhaupt. In natura gibt es den „Canalettoblick“ von den Elbwiesen unterhalb des Hotels The Westin Bellevue, in Öl auf Leinwand in der Gemäldegalerie Alte Meister. Deren Bilder, wie auch die meisten anderen Schätze der Dresdner Museen, überstanden die Kriegswirren durch Auslagerung und kehrten nach der Beschlagnahme durch die Rote Armee und den Abtransport in die Sowjetunion ab Mitte der 1950er-Jahre an die Elbe zurück. Dass die zwölf Museen der Staatlichen Kunstsammmlungen Dresden heute zu den bedeutendsten der Welt zählen, ist zuallererst dem Kunstsinn und der Repräsentationssucht der einstigen sächsischen Herrscher zu verdanken. Den nachhaltigsten Eindruck hinterließ Friedrich August I., Kurfürst von Sachsen und als August II. zudem König von Polen, besser bekannt als „August der Starke“. Man sagt ihm nach, dass er mit bloßen Händen Hufeisen verbiegen konnte und auch sonst ganz gut bei Kräften war. Neben seinem einzigen legitimen Sohn und Nachfolger, Schöngeist und Kunstsammler wie sein Vater, soll er zahlreiche weitere Kinder gezeugt haben – die Zahlen schwanken zwischen 9 und 365! Der Kurfürst galt als ausschweifend und machtbesessen, aber er machte aus Dresden auch eine Residenz von europäischem Format und begründete ihren Ruf als Kunst- und Kulturstadt.
Die musikalische Tradition Dresdens hat ihre Ursprünge lange vor Augusts Zeit. Der Kreuzchor existiert bereits seit dem 13. Jh., die Staatskapelle seit 1548. In der Dresdner Operngeschichte finden sich Namen wie Carl Maria von Weber, Richard Wagner und Richard Strauss. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jhs. entwickelte sich Dresden unter der Ägide von Mary Wigman und Gret Palucca zu einem Zentrum des avantgardistischen Tanztheaters. Viele Touristen erleben noch immer ein Dresden zwischen „Sixtinischer Madonna“ und „Rosenkavalier“. Wer sich über das Kulturquartier zwischen Zwinger, Semperoper und Frauenkirche hinauswagt, ist nicht selten erstaunt über das „andere“ Dresden, seine Vielfalt und Lebendigkeit. In der rechtselbischen Inneren Neustadt etwa trifft man auf liebevoll sanierte barocke Bürgerhäuser, charmante Einkaufspassagen – und noch mehr Museen. Ein Stück weiter nördlich beginnt jenseits von Albertplatz und Bautzner Straße die Äußere Neustadt. In dem von Kriegszerstörungen weitgehend verschonten Gründerzeitviertel war schon zu DDR-Zeiten eine aufmüpfige Alternativkultur gewachsen, bis heute ist der Stadtteil beliebte Wohnadresse von Studenten, Künstlern und Lebenskünstlern. Unablässig entstehen neue Läden, Kneipen und Cafés. Galerien präsentieren zeitgenössische Kunst und die Cineasten-Kinos Schauburg und Thalia halten die Filmkunst am Leben, Clubs und Bars sind bis in den frühen Morgen geöffnet. Zuguterletzt wird hier seit 1990 jeden Sommer für drei Tage die „Bunte Republik Neustadt“ ausgerufen.
Auch wer es beschaulich-romantisch liebt, kommt in Dresden und Umgebung auf seine Kosten. Dass wussten zu Beginn des 19. Jhs. schon die deutschen Romantiker, denen im Kügelgenhaus in der Hauptstraße ein kleines Museum gewidmet ist. Der Große Garten lädt zum Spazieren oder zu einer Bootstour auf dem Carolasee ein. In der Blasewitzer Goetheallee und auf dem Weißen Hirsch kann man mondäne Villen bestaunen, vom Luisenhof bei Kaffee und Kuchen die Aussicht genießen. Der Weg zum Schloss Pillnitz am Stadtrand führt vorbei an alten Dorfkernen und üppigen Gärten. Entlang der Elbe offerieren Restaurants und Biergärten regionale Spezialitäten: Kartoffelsuppe, Sauerbraten und Quarkkeulchen, Radeberger Pilsner und sächsischen Wein. Und dann ist da noch das Umland. Mit dem Elbsandsteingebirge samt dem Nationalpark Sächsische Schweiz liegt eine aufregende Landschaft direkt vor der Haustür – ein Eldorado für Kletterer und Wanderer. Im Umkreis von weniger als einer Autostunde findet man in Moritzburg, Weesenstein oder Großsedlitz einzigartige Schlösser und Parks. Und auch die Sächsische Weinstraße führt durch das Elbtal: von Dresden über Radebeul und Meißen bis nach Diesbar-Seußlitz.
Bei aller Gemütlichkeit ist Dresden aber auch eine Stadt, in der Zukunftsvisionen und Erfindungsreichum Tradition haben: Kaffeefilter, Büstenhalter und Reiseschreibmaschine, das europäische Porzellan, die erste deutsche Dampflokomotive und die Spiegelreflexkamera sind „made in Dresden“. Heute ist die Elbestadt ein dynamischer Wirtschaftsstandort und ein Hightech-Zentrum von Rang. Neben Betrieben aus traditionell hier beheimateten Wirtschaftszweigen wie Maschinen-, Anlagen- und Flugzeugbau oder der pharmazeutischen Industrie haben sich in den letzten 20 Jahren rund 1200 Firmen aus den Bereichen Mikroelektronik, Bio- und Nanotechnologie, Informations- und Kommunikationstechnik und Photovoltaik hier angesiedelt und aus dem einstigen „Tal der Ahnungslosen“ (im Elbtal gab es keinen West-Fernsehempfang) ein „Silicon Saxony“ gemacht.Mehr als 20 Institute – u. a. Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaft, Leibnitz- und Helmholtzgemeinschaft – sowie mehrere Innovationszentren begründen Dresdens Stellung als führender Forschungsstandort in den neuen Bundesländern. Für Nachschub an qualifiziertem Personal sorgen u. a. die Technische Universität und die 1992 gegründete Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. Die Arbeitslosenquote liegt in Dresden seit Jahren unter dem ostdeutschen Durchschnitt. Gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die augenfällige Lebensqualität machen die Stadt für junge Menschen attraktiv.
Auch mehr als zwei Jahrzehnte nach der deutschen Wiedervereinigung ist das 800 Jahre alte Dresden eine Stadt der Baustellen. In dem von Kriegszerstörungen hart getroffenen Ring um die Altstadt wartet noch manche Brachfläche auf Erweckung. Dass es moderne Architektur hier nicht immer leicht hat, liegt an der hingebungsvollen Liebe der Einheimischen zum alten Dresden sowie an den schlechten Erfahrungen der letzten 60 Jahre: Dem sozialistischen Plattenbau-Einerlei folgte nach der Wende manch gesichtsloser Neubau. Und so ist auch das umfangreichste innerstädtische Bauvorhaben, die Gestaltung des Neumarkts, vom Richtungsstreit „Tradition gegen Moderne“ bestimmt. Dresden lebt von und mit seinen Gegensätzen. Wer sich Zeit nimmt für diese Stadt, sich auf ihren Rhythmus einlässt, versteht, warum ihre Bewohner derart glühende Lokalpatrioten sind – die zudem nichts lieber tun, als die Vorzüge ihrer Heimatstadt zu preisen. Offenheit und Neugier vorausgesetzt, kommt man – egal ob in der Straßenbahn oder beim Wein – mit den Dresdnern schnell ins Gespräch. Und neben unbezahlbaren Experten-Tipps gibt's dann bisweilen spannende Lebensgeschichten als Zugabe.