Leipzig – das klingt nach Thomanern, Bach und Gewandhausorchester, nach Goethe, Schiller und Brockhaus. Oder eher nach Buch-, Automobil- und Pferdemesse? Vielleicht duftet es nach Kaffee, schmeckt süß nach Leipziger Lerche und spottet am Ende jeder Beschreibung. Auf gut Säggs'sch, versteht sich ... Denn die Leipzscher haben ein loses Mundwerk, ob sie mit „Wir sind das Volk“ den Mauerfall herbeidemonstrierten oder den Bahnhof mit seinen glitzernden Ladenzeilen unter dem Bahnsteig als „Einkaufsparadies mit Gleisanschluss“ verspotten.
Kein Wunder, dass die Kabaretts der Stadt nahezu so berühmt wie die Messe sind. Und wenn Sie Lust auf einen kleinen Disput haben, fragen Sie die Leipziger, ob ihre Heimat nun eher Musik- oder Kultur-, Messe- oder Medienstadt ist. Um es vorwegzunehmen: Die quirlige Stadt in der Leipziger Tieflandsbucht, mit rund 500 000 Einwohnern plus über 2 Mio. Übernachtungsgästen jährlich, samt Orchester von Weltruf sowie einem der modernsten Messegelände des Kontinents ist natürlich das alles. Und noch mehr, denn rund 28 000 Studenten an der Universität und den Fachhochschulen, an den Hochschulen für Grafik und Buchkunst, Musik und Theater sowie der ersten privaten Wirtschaftshochschule Deutschlands sorgen für lockere Lebensart und kreative Impulse. Sie werden es erleben: In Leipzig bewegt sich was. Das fängt bei den Baukränen an und hört bei den Skatern in der Fußgängerzone noch lange nicht auf.
Wer zum ersten Mal nach Leipzig kommt, wird staunen, wie grün der einstige DDR-Industriestandort ist. Zwar gibt es keine exotischen Stadtgärten mehr, wie der Kaufherr und Manufakturbesitzer Dietrich Apel sie im 18. Jh. schuf (das Restaurant Apels Garten in der Kolonnadenstraße erinnert noch daran). Dafür zieht sich von Schkeuditz im Norden bis nach Markkleeberg im Süden 25 km Auenwald mitten durch die Großstadt. Vom Autolärm am Ring bis in die Wildheit dieses größten zusammenhängenden Auenwalds Mitteleuropas ist es nur ein Katzensprung. In der City des knapp 300 km2 großen Stadtgebiets ist alles, was man sehen will, auf weniger als einem Quadratkilometer vereint. Historie trifft hier Konsum auf engem Raum: Zutaten für eine Mischung, die ihren Charme den Leipzig-Besuchern, die sich durch das verzweigte Passagensystem der Stadt treiben lassen, auf Anhieb offenbart. Die Messe- und Einkaufsstadt zeigt ihr geschäftiges Gesicht. Dahinter hat die oft beschworene Boomtown allerdings mit Büroleerstand und Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Die Arbeitslosenquote liegt bei 13 Prozent und ist damit eine der höchsten in Sachsen. Schließlich hat die Stadt mit der Wende eine schwere Hypothek aufgenommen. Ganze Industriezweige brachen weg. Damals wurde versucht, die Misere mit parteiübergreifender Konsenspolitik abzufedern. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) muss sich heute mit wechselnden Mehrheiten im Stadtrat arrangieren. Doch die Streitlust wächst angesichts der Milliarden-Stadtverschuldung. Leipzig sucht seinen Weg zwischen Alltagssorgen samt Sparkurs und der Erhaltung seiner Strahlkraft als Metropole im Osten Deutschlands.
Denn Leipzig hat das Zeug zu glänzen. Mit Großprojekten positioniert sich die Stadt als Dreh- und Angelpunkt der Region. Der Flughafen Leipzig/Halle punktet vor allem als Luftfrachtkreuz für DHL und Lufthansa Cargo. Dazu nutzen knapp 2 Mio. Passagiere jährlich den Flughafen. 2013 sollen die Gäste im Herzen der Stadt, unter dem Markt, aus der Bahn steigen können. Hier entsteht ein Haltepunkt des City-Tunnels, mit nur 4 km Länge die wohl kürzeste U-Bahn der Welt. Aufsehen erregend: Für die Arbeiten verschob man den Portikus des Bayerischen Bahnhofs um 30 m nach links.
Schon jetzt strömen Gäste von weither zu den Großevents im umgebauten Zentralstadion, der Red-Bull-Arena für 43 500 Zuschauer. Leipzig hat sogar sich selbst umgebaut. Der Arbeiterstadtteil Plagwitz wandelte sich zum Vorzeigeviertel mit Lofts, Cafés und Radwegen am Kanal. Und in beachtlichen Kraftakten wurde die ehemalige Tagebaumondlandschaft im Süden der Stadt zu einem gigantischen Freizeitareal umgestaltet. Statt Förderbrücken und Kohlebaggern gibt es nun Badeseen mit Wassersportmöglichkeiten sowie den Vergnügungspark Belantis.
Die Wissenschaft setzt mit der Universitätsklinik, einem Hightech-Herzzentrum und dem Biotechnologiezentrum „Bio City“ Highlights. Sogar das produzierende Gewerbe kommt nach Leipzig zurück: Im Norden der Stadt produziert Porsche den Nobel-Geländewagen „Cayenne“ und BMW unter anderem innovative Elektrofahrzeuge.
Findig waren die Sachsen schon immer. Egal, ob es um die Erfindung der Kaffeefiltertüte ging (1908 durch Melitta Bentz) oder um die Verbriefung der Stadtrechte für Leipzig. Das genaue Datum lässt sich bis heute nicht aus den Mantelfalten der Geschichte schütteln: Irgendwann zwischen 1160 und 1165 muss der Wettiner Markgraf Otto von Meißen dem Marktflecken Leipzig das Stadtrecht verliehen haben. 1958 sprach die SED-Stadtleitung ein Machtwort, legte das Geburtsjahr Leipzigs auf 1165 fest und verschaffte sich so ein bisschen Luft zur Vorbereitung der 800-Jahr-Feier. Der Name Leipzig ist noch viel älter. Er geht auf die Sorben zurück, die im 7. Jh. am Zusammenfluss von Elster und Parthe siedelten. Dort fanden sie ihren heiligen Baum, die Linde, und schnell war „Lipsk“, der Ort bei den Linden, in der Region ein Begriff. Bald erwirtschafteten sich die Leipziger als clevere Kaufleute ihren Platz in der Geschichte. Im Schutz der deutschen Burg Libizi entfalteten Kaufleute und Handwerker vom 10. bis 12. Jh. ein reges Treiben an der Kreuzung der beiden großen Handelsstraßen Via Regia und Via Imperii. 1497 war es dann so weit: Kaiser Maximilian verlieh der Stadt das Messeprivileg, und fortan brachten die Reisenden unter königlichem Schutz Wohlstand und Weltoffenheit in die Stadt.
Noch älter ist die Tradition Leipzigs als Universitätsstadt. 1409 gegründet, ist die Uni die zweitälteste Deutschlands. Schon bald nach ihrer Gründung zog sie bedeutende Gelehrte an: Christian Thomasius philosophierte hier, der Philologe Johann Christoph Gottsched war zu Goethes Zeiten Rektor. Gottfried Wilhelm Leibniz, Gotthold Ephraim Lessing und der Komponist Robert Schumann studierten in Leipzig, ebenso die Dichter Jean Paul, Friedrich Schlegel und Novalis. Auch Karl May war da, wenn auch ohne studentische Ambitionen. 1865 mietete er sich über der Central-Apotheke ein, ließ sich einen Pelz bringen – und verschwand mit dem guten Stück, ohne ihn zu bezahlen. Doch der Spitzbube wurde gefasst und ins Arbeitshaus gesteckt. Verbrieft ist die Verbindung mit einem Stück Weltliteratur, dem „Faust“: Als der 16-jährige Johann Wolfgang von Goethe 1765 nach Leipzig kam, war das ein Schritt aus der Enge der verwinkelten Gassen Frankfurts in die Großzügigkeit der sächsischen Messestadt. Goethe legte sich eine weltmännische Garderobe zu. Im „Faust“ lässt er die Studenten in Auerbachs Keller über die „wunderliche Weise“ der Auswärtigen spotten, und „Frosch“ hebt an zu dem berühmten Satz: „Mein Leipzig lob' ich mir! Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute.“ Da zeigt der junge Goethe sympathische Selbstironie – ein feiner Zug, der gut zu den Sachsen passt.
Leipzig hat – nach einigen Umwegen – diese reiche Tradition als ein großes Pfund entdeckt. Die Stadt wuchert (noch) mit einem kulturellen Angebot, das in Metropolen ähnlicher Größe seinesgleichen sucht. Dazu gehört nicht nur die Hochkultur: Gewandhaus, Oper und das Centraltheater unter dem jungen, aufstrebenden Regisseur Sebastian Hartmann. Dazu gehört mindestens genauso Leipzigs starke „Kreativwirtschaft“, angefüttert von exzellenten Kunst- und Musikhochschulen, gestützt von etablierten und experimentellen Kreativen, die in dieser Stadt eine Heimat gefunden haben. Nicht zu vergessen ist das Engagement zahlreicher Bürger, die längst erkannt haben, dass von der notorisch klammen Kommune keine großen Sprünge zu erwarten sind und die deshalb in Eigenintiative wichtige kulturelle Projekte in Angriff genommen haben. Was kommt dabei heraus? Eine höchst lebendige Kunstszene in Plagwitz, die von hier aus längst überregionale Bedeutung erlangt hat. Bürgervereine, die die Sanierung des Völkerschlachtdenkmals bis zum Jubiläumsjahr 2013 (200 Jahre Völkerschlacht) vorantreiben und den vergessenen Sohn der Stadt, Richard Wagner, wieder in die Stadt holen. Die mit Notenspur, Notenbogen und Notenrad (www.notenspur-leipzig.de) ein Vehikel gefunden haben, um Leipzigs überaus reiche Musiktradition nicht nur auf Johann Sebastian Bach zu reduzieren, sondern auch all die anderen „Leipziger“ – Robert Schumann, Felix Mendelssohn Bartholdy, Edvard Grieg, Gustav Mahler, Richard Wagner, ihre Verleger, Lehrer, Förderer und Familien – einzubeziehen.
2013 feiert die Stadt große Höhepunkte: 200 Jahre Völkerschlacht, 100 Jahre Denkmal, 100 Jahre Richard Wagner. Das große Bachfest, das immer wieder neue Bezüge sucht zu anderen Musikgrößen der Stadt, findet jährlich statt, dazu kommen viele weitere Veranstaltungsreihen, wie das Dok-Film-Festival, Euroscene, Leipzig liest, Mendelssohn-Festtage, die Rundgänge an der Hochschule für Grafik und Buchkunst und auf dem Spinnereigelände und so weiter ... Profitieren Sie von diesem Angebot, lernen Sie Geschichte, Gegenwart und Zukunft einer deutschen Kulturstadt kennen.