Sieben Sorten Fleisch und Wurst liegen auf dem zum choucroute royale aufgepimpten Sauerkraut! Zu viel? Wie wärs stattdessen mit Kalbskopf oder der surlawerla genannten sauren Leber? Die Elsässer Küche ist ein klarer Fall von rustikal. Gerichte wie die obigen haben im Elsass immer noch ihre Liebhaber. Das hat weniger mit der modernen Nose-to-Tail-Philosophie zu tun als mit der Liebe zur Tradition.
Genauso wie die Elsässer Fachwerk, Weinstuben und Butzenfenster lieben, hängen sie an den alten Gerichten. Eine Stadt mag noch so modern sein, grumbeere statt Fritten und spaetzeles statt Pasta stehen auf der Karte und in Ehren. Dass die Heimat gefeiert wird, ist hier nicht Zeitgeist, sondern Leitmotiv. Das Elsass hat seine kulinarische Prägung vom Dorf, dessen natürlicher Mittelpunkt der Bäcker war, der nach getaner Arbeit seinen Ofen den Dorffrauen zur Verfügung stellte. Diese zogen im Leiterwagen ihre Eintöpfe zum Bäcker, der sie in den noch warmen Ofen schob, wo sie stundenlang garten. So geht die Legende vom baeckeoffe, der mit Gemüse, Fleisch und viel Zeit zu einer der besonderen Spezialitäten des Elsass geworden ist.
Auch die andere große Spezialität, der Flamm(en)kuchen, ist den Bäckern zu verdanken. Obwohl er so gut wie immer auf Französisch auf der Karte steht, ist die tarte flambée urelsässisch. Die Erfolgsgeschichte geht so: Im Kochersberg vor den Toren Straßburgs nutzten die Bäcker die enorme Hitze des frisch mit Buchenholz angefeuerten Ofens für ihren dünnen, mit Rahm und Speck bedeckten Teigfladen, der nur eine Minute brauchte, bis er gut war. Das Werk der Flammen ist nicht zu übersehen, am Rand verkohlt, auf der Oberfläche Blasen und der Boden hat schwarze Flecken. So muss er sein! Die tarte flambée hat es längst zum Nationalheiligtum der Elsässer geschafft. Obwohl die Confrérie du Véritable Flammekueche d’Alsace darüber wacht, macht doch jeder, was er will. Erlaubt ist, was gefällt, vom Vollkornboden bis zum Münsterkäse (spitze!) oder zur – na ja – Ananas.
Aber auch die anderen elsässischen Landschaften haben Spezialitäten hervorgebracht. Auf den winterrauen Hochvogesen ist es das deftige Melkeressen, das repas marcaire. Kassler und Salat sind noch am leichtesten zu schaffen, die Kartoffeln, die mit Zwiebeln und pfundweise Butter versetzt wurden, sind hingegen ein schwereres Kaliber. Dazu kommt Blaubeerkuchen mit Sahne und ein junger Münsterkäse mit Kirschwasser. Der Münsterkäse ist ebenfalls ein Kind der Vogesen; es gibt ihn in verschiedenen Reifegraden, je älter, desto mehr Nase. Erst wenn er 21 Tage gereift ist, darf der Rotschmierkäse sein AOC-Siegel tragen, was seine kontrollierte Herkunft beweist. Andere Regionen, denen das Elsass ein paar Spezialitäten zu verdanken hat, sind der wasserreiche Sundgau mit seinen Karpfen, Krautergersheim und Umgebung für den Weißkohl fürs Sauerkraut, die sandige Gegend um Hoerdt als Epizentrum des Spargels und das Nordelsass mit salzigen oder süßen Dampfnudeln und Saumagen. Und überall im Elsass gibt es die berühmte charcuterie alsacienne (Knackwurst, Presskopf etc.), die es oft in Bierkneipen auf dem Brettchen, der planchette, gibt.
Alles rustikal, deftig, grob also? Gar nicht, das liegt an der Geografie und der Geschichte: Durch das Rheintal verliefen seit jeher wichtige Handelsstraßen und so kamen bereits im Mittelalter besondere Gewürze ins Land. Zudem spielt das Erbe der Römer, der Wein, eine tragende Rolle im kulinarischen Stück. Bekanntlich wird mit Wein schon immer besser gekocht, vorallem mit König Riesling. Ein Paradebeispiel dafür ist der coq au riesling, der seine alemannischen Einflüsse – mit viel Sauce, Nudeln und üppig portioniert – gar nicht leugnen kann. Und zum guten Schluss hat die französische Hochküche ihre feinen Spuren hinterlassen, eine beeindruckende Zahl von Spitzenköchen spricht für sich.
Die französische Lebensart wirkt sich bis in die Sitten aus. Wer in ein Restaurant, eine Winstub oder die moderne Variante bar à vin geht, ist immer gut beraten, beim Kellner nach einem freien Platz zu fragen, sogar wenn die Kneipe leer ist. Alles andere wird eigentlich nicht verziehen. Beim Bezahlen gibt es in aller Regel nur eine Rechnung, auch typisch französisch. Französisch ist auch das Angebot an Weinen. Wein gehört zum Essen und zum Essen gehört Wein. „Ganz wichtig ist, dass alles in Balance mit dem Wein bleibt. Die Harmonie ist entscheidend“, sagt Starkoch Marc Haeberlin. Eine große Weinkarte muss also sein, so lautet das ungeschriebene Gesetz der Franzosen. Dass das Elsass mit seinen traditionellen Sorten Riesling, Pinot blanc, Pinot gris, Sylvaner, Gewürztraminer, Muscat und der Cuvée Edelzwicker („Edel“) erste Wahl ist, hat seine Logik. Eine gute Weinkarte ist aber immer um Bordeaux und Burgund ergänzt, weil das die Spezialisten für rouge sind.
Bei den Desserts ist die französisch-elsässische Durchdringung perfekt. Alemannische tartes mit Zwetschgen, Äpfeln und Birnen und der geeiste kugloff sind genauso ein Muss wie ein urfranzösischer fondant au chocolat oder eine crème brûlée. Eine gute Wahl ist der café gourmand:Dessertvariationen und dazu ein Espresso. Danach muss das trou alsacien (Elsässer Loch) gefüllt werden – und zwar mit Schnaps!
Halbes Dutzend Weinbergschnecken, mit Kräuterbutter gratiniert
Gänsestopfleber
Spargelcremesuppe
Löwenzahnsalat
Sauerkraut mit dreierlei Fisch
Frittierter Karpfen
Ragout aus heimischen Flussfischen mit Weißwein
Hechtklößchen
Mit Brät gefüllte Schneckennudeln, in Brühe gekocht
Gebackene Fleischpastete mit grünem Salat
Zwiebelkuchen
Königinpastete mit Ragout fin
Huhn in Riesling
Geschmorte Haxe in Münsterkäsesauce
Gekochter Kalbskopf mit einer Sauce aus Kapern, Gewürzgurken, Senf und hart gekochtem Ei
Apfelkuchen
Blaubeerkuchen mit Sahne
Geeister Gugelhupf
Gesüßter Frischkäse mit Kirschwasser