Mittags Platz in einer Crêperie zu finden, ist allerdings reine Glückssache. Alle lieben die traditionelle, von bretonischen Bauern kreierte Nationalspeise: Der ebenso saftige wie deftige Buchweizenmehlfladen galette complète wird mit Schinken, Reibekäse und Spiegelei belegt. Köstlich! Aber es gibt auch eine Vielzahl moderner, teils exotischer Varianten: mit Roquefort und Birne, mit Muscheln oder sogar mit Algen.
Auf die süße Verwandte der Galette, die hauchdünne Weizenmehlcrêpe beurre-sucre kommen Salzbutter und Zucker. Apropos: Crêpes sind keine Pfannkuchen, denn sie werden nicht in der Pfanne, sondern auf randlosen, gleichmäßig von Gasflämmchen beheizten Gusseisenplatten zubereitet. Zum Nationalgericht das Nationalgetränk: bretonischer Cidre, vergorener Most aus Spezialäpfeln, fruchtiger als der saure normannische Cousin – und stilecht getrunken aus einer Keramiktasse. Guter Cidre Brut hat oft einen Alkoholgehalt von über 5,5 Prozent – und damit mehr als manches Bier!
In der Bretagne müsstest du selbst tauchen, um Fisch noch frischer als in den vielen guten Restaurants zu bekommen. Gleich nach dem Fang und kurz nach der darauffolgenden Auktionsversteigerung landen Goldbrasse (daurade), Petersfisch (St-Pierre) und Roter Knurrhahn (grondin) zu zartem Gemüse auf den Tellern. Begehrt sind Seehecht vom Grill (merlu), zarter Gefleckter Lippfisch (vieille), Rochen (raie), die furchterregend aussehenden Seeteufel (lotte) und Seeaal (congre). Exquisit: der an der umtosten Pointe du Raz mutig von kleinen Fischerbooten aus geangelte Wolfsbarsch (bar de ligne). Lachs (saumon) meidet man besser, da er oft aus ökologisch bedenklicher Zucht kommt – als Futter benötigt man für 1 kg Lachs 10 kg Frischfisch! Also Vorsicht: Fisch und Meeresfrüchte aus Zuchtanlagen tragen den Zusatz d’Élevage oder élevé.
Austern genießt du am besten pur und nicht wie nach Pariser Art mit Zitrone, Essig oder Weißwein beträufelt. So entfalten sie ihr herrlich frisches Aroma am besten. Jakobsmuscheln aus St-Brieuc werden in der Schale überbacken, gegrillt oder gebraten.
Zeit sollte keine Rolle spielen beim Genießen von Meeresfrüchteplatten mit Meerspinne (araignée), Taschenkrebs (tourteau), Seeigel (oursin), Languste und Garnelen (crevettes). Dabei sollten Novizen keine weißen Hemden tragen, da der Umgang mit dem Essbesteck einer gewissen Einübung bedarf. Die oft als Aperitif-Häppchen gereichte Kleine Schwarze Strandschnecke (bigorneau) gilt als gesündeste der bretonischen Meeresfrüchte und wird mit zahnstocherähnlichen Holzstäbchen aus ihrem Häuschen geholt. Eine Delikatesse ist bretonischer Blauer Hummer (homard). Seit 2010 gibt es für an 300 000 (!) Eichenpfählen in der Bucht des Mont-St-Michel gezogene Miesmuscheln eine eigene kontrollierte Herkunftsbezeichnung – AOC des moules des bouchots de la Baie du Mont Saint Michel. Die Züchter profitieren dort vom immensen Tidenhub, dem damit verbundenen Planktoneintrag und der idealen Gewässertemperatur.
Salzweidenlamm reicht man auf Ouessant an Festtagen, am Mont-SaintMichel hat das halbwild lebende Lamm sogar eine AOC. Das agneau des prés salés zeichnet sich durch einen feinen, leicht rauchigen Geschmack aus und sollte – auch nach dem Garen nicht gesalzen werden.
Im Finistère erwartet dich das urige kig ha fars, ein Fleischtopf mit Gemüse und Mehlkloß aus Buchweizenmehl, bei dem der Teig in einem Leinensack (!) mit Rahm und Butter über drei Stunden lang gekocht wird. Das Traditionsgericht, eigentlich besonderen Anlässen vorbehalten, gibt es heute natürlich auch im Restaurant, in der Regel allerdings nach Vorbestellung.
Ein weiterer Genuss sind die gedämpften Blütenblätter der Artischocke: Sie werden in Vinaigrette oder Béchamelsauce gedippt und ausgelutscht, das Herz nach Entfernen des Heus zum Saucenrest verspeist. In Paimpol brät man coco, die strohgelbe, violett marmorierte Stangenbohne mit delikatem Nussaroma, in – natürlich – Salzbutter.
Bretonen frühstücken kurz – café und ein Croissant genügen. Die Mittagspause indes ist heilig: Kurz vor 12 Uhr geht nichts mehr! Restaurants servieren im Allgemeinen zwischen 12 und 14 Uhr das Mittagessen. Das Diner gibt es selten vor 19 Uhr; wundre dich also nicht, wenn es in kaum einem Restaurant, auch nicht in denen der Hotels, zuvor etwas zu essen gibt. In Touristenzentren wie St-Malo bestätigen Ausnahmen allerdings diese Regel.
Und noch etwas: In der Bretagne isst man mit Bedacht. Nimm dir also zum Essen ruhig Zeit; Currywurst aus der Pappe oder ähnliches Fast Food sucht man hier vergeblich. Oft gibt es zwei „Desserts”: Erst kommt der Käse und dann etwas Süßes auf den Tisch. Apropos Käse: Wahre Bretonen schneiden bei reifem Camembert erst die Rinde ab und verspeisen nur das weiche Innere, den „Teig”. Und: Sie trinken dazu keinen Rotwein, sondern Cidre Brut. Lambig, der Ahne des Calvados, beschließt mit einem café das Mahl.
Austern mit kräftigem Aroma
In Kartoffelbouillon gekochter Fisch auf geröstetem Brot, mit der Brühe übergossen
Suppe aus Scholle, Lippfisch, Seeaal, Tintenfisch und Rochen mit Kartoffel, Lauch, Kräutern, Zwiebeln
Bretonischer Hummer, sehr aromatisch
Miesmuscheln in Sud aus Weißwein, Petersilie, Thymian, Zwiebel, Knoblauch
Miesmuscheln mit Pommes frites
Hammel mit weißen Rübchen, eine Spezialität des Morbihan
Wurst aus dem Fleisch von Inselschweinen über Algen geräuchert
Milch-Eier-Auflauf mit Backpflaumen oder Äpfeln
Warmer Butterkuchen mit reichlich Salzbutter aus Douarnenez
Honig-Apfelwein. Gekühlt als Aperitif, aber er passt auch zum Hauptgang
Apfelwein
Buttermilch wurde früher zu Galettes getrunken, heute fügt mancher sie dem Teig bei
der "bessere" Calvados aus dem Finistère