Manche Bräuche und Festivals beruhen auf langen Traditionen, andere sind aus reinem Spaß- und Spieltrieb entstanden. Unabhängig davon versprechen sie oft großen Unterhaltungswert. Wir haben uns zehn Bräuche und Festivals genauer angesehen, bei denen der Zuschauer voll auf seine Kosten kommt. Und manchmal sogar mitmachen muss ...
Schweinefest, Frankreich
Im südwestfranzösischen Trie-sur-Baïse findet alljährlich im August „La Pourcailhade“ statt – das Schweinefest, bei dem sich alles um das Nutztier dreht. Die als Schweine verkleideten Teilnehmer müssen in allerlei Wettbewerben gegeneinander antreten. Höhepunkt des Festivals ist dabei eine Meisterschaft im Schweinegrunzen: Wer kann am besten das Grunzen eines Schweines in verschiedenen Lebensstadien nachmachen? Wer hierbei seine Lachmuskeln nicht überstrapaziert, dem ist nicht mehr zu helfen.
Tomatenschlacht, Spanien
Ebenfalls im August findet im spanischen Buñol jedes Jahr die „Tomatina“ statt, eine wilde Tomatenschlacht, bei das überreife rote Gemüse als Geschoss auf alles und jeden verwendet wird. Auch wenn das keinen vorbildlichen Umgang mit Essen darstellt – der Spaß und Erfolg gibt dem Festival seit über 60 Jahren Recht. Inzwischen reisen Touristen aus der ganzen Welt extra dafür an, um sich gegenseitig mit Tomatenmatsch zu überziehen. 100 Tonnen matschige Tomaten werden dafür von der Stadt zur Verfügung gestellt. Allerdings muss man sich beeilen: Nur eine einzige Stunde dauert das unglaubliche Spektakel.
Handtaschen-Weitwurf, Deutschland
Mit Handfestem wird alljährlich in Bottrop geworfen: Bei den Handtaschen-Weitwurf-Weltmeisterschaften treten die Kandidaten in vier Disziplinen an: Stoßen, Diskus, Kurbelwurf und Freestyle gehören dazu. Sonderpunkte gibt es für das passende Styling und Sport-Dress. Schließlich müssen Handtaschen-Modell und Sport-Outfit auch zusammenpassen.
Frauen-Tragen, Finnland
Zum Glück nicht geworfen, sondern getragen werden die (Ehe-)Frauen im finnischen Sonkajärvi. Bei der „Wife Carrying World Championship“ muss der Mann einige Hindernisse überwinden – ganz wie im echten Leben. Natürlich darf er dabei seine Frau nicht verlieren: nicht im Wasser-Bassin und auch nicht im Sand. Die Tragemethode ist frei wählbar. Sonderpunkte gibt es für besonders erotisches Auftreten. Die Veranstalter versprechen übrigens eine Steigerung der Ehequalität während des Übens ...
Luftgitarren-Weltmeisterschaft, Finnland
Wer keine Frau hat, kann in Oulu, Finnland, beim Luftgitarren-Wettbewerb mitmachen. Seit 1996 imitieren hier Luftgitarrenspieler allein durch Mimik und Gestik ein E-Gitarren-Spiel – und das auf Weltrangniveau. Ein wichtiges Bewertungskriterium ist dabei die so genannte „Airness“: die „Fähigkeit, das Luftgitarrespielen über die bloße Imitation hinaus zu transzendieren“.
Holi-Fest, Indien
Eine wahre Explosion der Farben ist das hinduistische Holi-Fest, das den Beginn des Frühlings einläutet. Und zwar mit einem wahren Farbrausch, der auf alle und jeden verteilt wird. Am einzigen Tag im Jahr, an dem Kaste, Religion, Alter oder Geschlecht keine Rolle spielen, wird knallbuntes Farbpulver über jeden geschüttet, gepustet und geworfen, der des Weges kommt. Nicht zu vergessen ist der religiöse Hintergrund: Während die Farbpracht für Fruchtbarkeit und einen Neuanfang steht, soll das gegenseitige Bewerfen mit den Farben für eine Nivellierung aller Unterschiede stehen.
Bartträger-Weltmeisterschaft, Österreich
Geradezu unglaublich ist es, was man auf der Bartträger-Weltmeisterschaft im österreichischen Leogang zu sehen bekommt. Die vier Oberkategorien Schnauzer, Kinn-, Backen- und Vollbart sind noch einmal in 18 einzelne Sparten aufgeteilt. Darunter Schnauzer Dali, kaiserlich oder ungarisch, Kinn- und Backenbärte Chinese und Musketier oder Vollbärte Verdi und Garibaldi. In manchen Kategorien sind Hilfsmittel erlaubt.
Extrem-Bügeln, Deutschland
Warum langweilige Hausarbeit nicht etwas aufpeppen? Das dachte sich ein Engländer und nahm seine Bügelwäsche kurzerhand mit zum Bergsteigen. Im oberbayerischen Valley schließlich wurde die erste Weltmeisterschaft 2002 ausgetragen – in den Disziplinen Forest Style, Water Style, Rocky Style, Urban Style und Freestyle. Ziel ist es, in einer möglichst extremen Situation die Wäsche faltenfrei zu bekommen. Auch wenn die Weltmeisterschaften leider eingeschlafen sind – Rekorde bringt das Extrem-Bügeln weiterhin hervor: einen Unterwasserrekord in 137 Meter Tiefe, einen Höhenrekord am Mount Everest, wo im Basislager gebügelte Wäsche auf den Gipfel getragen wurde, sowie ein in 4:08 Stunden gelaufener Marathon mit einem Haufen ordentlich gebügelter Wäsche im Ziel.
Wattolümpiade, Deutschland
Sich im Schlamm zu wälzen, scheint vielen Menschen ein Urbedürfnis zu sein, weshalb Schlammschlachten an vielen Orten der Welt ausgetragen werden. Besonders sehenswert ist die Wattolümpiade (sic!) in Brunsbüttel. Angetreten wird in vier Disziplinen: Handball, Fußball, „Wolliball“, Schlickschlittenrennen und der Aal-Staffellauf. Der Erlös kommt der Beratung und Betreuung Krebskranker zugute.
Käserollen, England
Eine tatsächlich lange Tradition hat das Käserollen im Südwesten England. Seit mindestens 200 Jahren treten am Cooper's Hill Männer und Frauen gegen einen Laib Gloucester-Käse an: Wer kommt schneller den Hügel hinunter? Da der Käse Geschwindigkeiten von bis zu 110 Stundenkilometern erreichen kann, ist ein Versuch, ihn zu besiegen, eigentlich zwecklos. Trotzdem stolpern, stürzen und rollen bis zu 5000 Teilnehmer dem Laib Gloucester-Käse hinterher.
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von Solveig Michelsen