Ich widme mich wieder anderen Angelegenheiten. Denn Langeweile macht hungrig, und glücklicherweise gibt es an Bord auch etwas zu essen und zu trinken. Der Kaffee ist wirklich gut. Und billig, so wie der Rest auf der Karte. Die ist nicht nur mehrsprachig gedruckt, alle Preise sind auch in fünf Währungen ausgezeichnet, und man kann in allen diesen Währungen bezahlen. Unten im Bus gibt es eine winzige Kochnische, in der Jeļena die Speisen und Heißgetränke zubereitet. Es gibt Burger, Schnitzel und diverse Snacks, auf Nachfrage hat man auch vegetarische Optionen, wie Pommes und Salat. Ein warmes Sandwich gibt es beispielsweise für 2,20 Euro.
Mittlerweile scheint die Sonne, und am strahlend blauen Himmel jagen sich die Schäfchenwolken. Zwischendurch tauchen kleine Häuschen auf, vor deren Eingängen Armeen von Laubbäumen Spalier stehen.
Der Bus hält für wenige Minuten in Augustow, und ich versuche ein Gespräch mit einem der Fahrer. Māris spricht zwar nur wenige Brocken Englisch – er unterstreicht dies mit einer Geste, bei der sich Daumen und Zeigefinger fast schon berühren und er die Augen zu kleinen Schlitzen zusammenkneift –, aber eine kurze Unterhaltung kommt trotzdem zustande. Er antwortet auf die Frage, wie lange er schon Bus fahre, mit einem verschmitzten Lächeln, wedelt mit der rechten Hand: „Fifteen, twenty!“ So genau weiß er das wohl selbst gerade nicht. Lange genug jedenfalls.
„Viens, divi, trīs ...“ Jeļena zählt wieder. Alle Passagiere sind brav auf ihre Sitze zurückgekehrt. Dann kommt sie zu mir und sagt, es wäre besser, ich würde vor Riga, in Marijampole, noch einmal den Bus wechseln, da ich sonst in Riga vielleicht meinen Anschluss verpasse. Jeļena hat alles im Blick. Sie weiß genau, welcher Passagier wann aus- und umsteigen muss. Alle Abläufe wirken sehr professionell und eingespielt. Dieser Bus ist weiterhin minutiös pünktlich – trotz der weiten Distanzen. Bei Stau sieht das vermutlich anders aus. Da kann dann selbst Māris nichts mehr machen.
Im Vergleich zur Deutschen Bahn ist so eine Busfahrt unglaublich günstig. Die Strecke Berlin–Warschau kostet im Discount 19 Euro (ecolines.net), von Hamburg nach Leipzig kommt man ab 18 Euro und von München nach Frankfurt bereits ab 20 Euro (beides meinfernbus.de). Anbieter sprießen jetzt wie Pilze aus dem Boden. Das baltische Unternehmen Simple Express beispielsweise lockt mit Super-Dumping-Preisen – die ersten fünf Plätze gibt‘s momentan als Aktion für jeweils drei Euro. Meine Fahrt nach Tallinn lohnt sich mit dem Bus finanziell allerdings nicht. Denn per Flieger kann man ab Bremen mit Ryanair schon für 60 Euro nonstop hin und zurück fliegen.