Zwar kamen über die Jahrtausende neue Einflüsse dazu: Korn wurde gemahlen, Brot gebacken, Gemüse und Kartoffeln wurden angebaut. Aber die Böden in der Region sind eher mager, die Bauern waren arm und Fisch ein zuverlässiges, günstiges Essen. Auch heute steht für viele Usedom-Urlauber der Speiseplan schon fest. Fisch natürlich! Geräucherten Aal zum Frühstück, ein Fischbrötchen zwischendurch und abends Fisch mit Bratkartoffeln. Das ist verständlich, aber mittlerweile nicht mehr in jedem Fall zu empfehlen. In den Häfen gibt es kaum noch Fischerboote. Die Fischbestände schrumpfen auch in der Ostsee. Und deshalb kommt vieles von dem, was dir in den Restaurants und Imbissen an Filets, Eingelegtem und Geräuchertem angeboten wird, nicht von hier. Lachs stammt so gut wie immer aus norwegischen Fischzuchtanlagen, Rotbarsch aus dem Nordatlantik. Wenn du sichergehen willst, dass der Fisch auf deinem Teller aus der Region kommt, dann musst du ihn selbst angeln. Oder konsequent nachfragen. Oft geben die Wirte erstmal ausweichende Antworten und sagen, der Fisch käme „teilweise“ aus der Ostsee oder „je nach Saison“.
Hering wird von Februar bis April gefangen, Hornfisch im Mai. Eingelegt oder gefroren gibt’s diese Arten dann auch noch später. Und diese beiden sind dann auch fast die einzigen, die man guten Gewissens empfehlen kann. Aal etwa wird auf Usedom so gut wie immer importiert und ist vom Aussterben bedroht.
Wenn dir in den Restaurants die klassischen Fischgerichte angeboten werden, dann sind die fast immer noch nach dem gleichen alten Muster gestrickt: ein Fisch, dazu Kartoffeln und eine Salatbeilage. In einer Gegend, in der das Sattwerden wichtiger war, als raffiniert zu kochen, hat das Tradition. Ums Sattwerden geht es auch bei den anderen regionalen Gerichten. Viel Fleisch, Eintöpfe, süße Mehlspeisen, versunkene Birnen, Rote Grütze. Das wichtigste Obst ist in Vorpommern auf jeden Fall der Apfel – auch aus Tradition. Denn auch wenn die Bauern unfrei waren, für den Grundherrn schuften mussten und kein eigenes Land besaßen – einen Apfelbaum im Garten hatte jeder. Apfelkuchen, Apfelkompott und natürlich Apfelsaft (zunehmend selbst gemostet) wird dir daher auch an jeder Ecke begegnen. Wenn du zur Erntezeit in Vorpommern bist, fallen dir vielleicht die Obstbaumalleen auf, deren Obst zu DDR-Zeiten in Rostock zu Saft gepresst wurde. Heute spricht nichts gegen einen kleinen Mundraub am Straßenrand, denn das Fallobst bleibt meist einfach liegen.
Seit im 19. Jh. die ersten Bädertouristen nach Usedom kamen, ist auch kulinarisch viel passiert. Dank Globalisierung und Individualisierung bekommst du auf der Insel heute alles, was es überall sonst auch gibt. Döner und Pizza, Bratwurst und Asia-Food, DDR-nostalgische Soljanka und Broiler, polnische Gerichte, veganes Essen, internationale Küche – in allen Preisklassen. Auf Usedom kochen auch die Sterneköche Arjan Mensies und Tom Wickboldt.
Eine Entwicklung, die vielleicht auch Hoffnung für die aussterbenden Fischarten bedeuten könnte, ist noch jung: Mehr und mehr Menschen sind das Fischsterben und der Klimawandel nicht egal, sie versuchen, möglichst regional und ökologisch zu essen. Das geht auch auf Usedom und muss nicht unbedingt Fleischverzicht bedeuten. Denn Wild ist hier gewissermaßen der neue Fisch. Wenn du dich mit Wildschwein und Hirsch auf deinem Teller anfreunden kannst, dann guten Appetit! Die Tiere müssen regelmäßig geschossen werden und stammen sicher nicht aus Massentierhaltung. Auf und um Usedom gibt es neuerdings einige kleine Unternehmen, die Wild jagen und in eigenen Manufakturen veredeln und vertreiben.
Der Trend zu Bio und Regional findet sich in jedem Supermarkt und auch in vielen Restaurants wieder. Besonders viele Ökoköche gibt es in den beiden Winkeln, dem Lassaner und dem Lieper Winkel. Aber auch auf dem Rest der Insel kannst du auf immer mehr Speisekarten das Bemühen um eine gewisse regionale Note ablesen. Überall gibt es Köche, die umstellen: ökologische Landwirtschaft statt Massentierhaltung, selbst gemacht statt Industrieprodukt, frisch zubereitet statt einfach nur aufgewärmt. Eine Sonderrolle haben die Cafés: Selbst gebackene Kuchen und Torten sind zwar noch immer nicht Standard, aber ein Café, das mit frischen Zutaten eigene Kuchenkreationen anbietet, findest du eigentlich überall.
... dann gibt es zum Abschluss noch ein Rezept zum Nachkochen: Kauf dir bei der Freester Fischereigenossenschaft, bei Ehmkes Fischhandel in Karlshagen oder am Hafen in Rankwitz pro Person zwei Ostseeheringe. Hol dir dazu einen Beutel Kartoffeln und brate dir die Heringe in der Pfanne. Iss sie mit Pellkartoffeln, Petersilie und Salz. Und zum Nachtisch das Pommerngedeck, vom Postel-Gründer Martin Schröter aus Wolgast erfunden: ein gebrühter Kaffee, dazu ein Quittenbrand und Blaubeerkuchen. Und was wird getrunken? Wasser, Bier, Schnaps. Und im Winter Grog.
Pilze mit gebratenen Zwiebeln, Kartoffeln, Äpfeln und Lauch, mit Schmand verfeinert
Polnische Rote-Bete Suppe
Polnische Teigtaschen, gefüllt mit Hackfleisch, Quark, Kohl oder Spinat
Mit einem Chutney aus Schalotten, Knoblauch, Backpflaumen, Ingwer und Äpfeln
In Mehl gewendete und in Öl gebratene Rotaugen, die in einem Sud aus Rotwein, Essig und Gewürzen eingelegt wurden, dazu Bratkartoffeln
Aus Brassen, in Butterschmalz ausgebacken
Gebratene Heringe, bedeckt mit Zitrone, Senf und Lorbeer, in einer Marinade aus Essig, Zwiebeln, Nelken und Thymian. Dazu Brat- oder Pellkartoffeln
Durch den Fleischwolf gedrehtes Rinderpökelfleisch mit Kartoffelstampf, Zwiebeln, Roter Bete und Hering. Dazu eingelegte Roter Bete und Spiegelei
Mit frischem Salat, Pell- oder Stampfkartoffeln und Zwiebeln
Polnischer Schmortopf aus Sauerkraut, Weißkohl, Wild, Rind, Schwein, Waldpilzen, verschiedenen Wurstsorten und Kartoffeln
Polnische Blaubeerbrötchen mit Zuckerguss
Mit Vanillesauce, Eis oder Milch