Gut essen kann man bekanntlich überall in Frankreich. Die Provence hat den Vorteil, dass hier einerseits (fast) alles vor Ort wächst und andererseits sich die Küche auch anderen Ufern des Mittelmeers nicht verschlossen hat. Nur mal als Beispiel: Was ist das typische Gericht aus Marseille? Nein, nix Bouillabaisse (das ist echter Luxus), sondern Couscous! Auf jedem großen Markt der Provence wird irgendwo Paella als take-away verkauft. Und in allen Bäckereien bekommst du Pizzastücke als Snack und die süßen Backwaren werden hier oft mit Orangenblüten aromatisiert. Das alles ist irgendwann einmal in die Provence eingewandert.
Doch natürlich gibt es auch die klassischen Dorfbistros, in denen es auf der Karte nur drei lokale Gerichte gibt: das Lamm vom Nachbarbauern, Wildschwein, vom Sohnemann frisch gejagt, und Bohneneintopf mit Tomaten aus dem Vorgarten.
Nicht nur Gemüse in allen Variationen, sondern auch eine unglaubliche Vielfalt an Gewürzkräutern von Thymian über Rosmarin, Minze, Salbei, Oregano bis hin zu Fenchel und Lorbeer wächst quasi am Straßenrand. Ursprünglich gehören in die berühmte Mischung der Herbes de Provence eigentlich nur vier Kräuter (Rosmarin, Thymian, Bohnenkraut und Oregano), aber auch da gibt es mittlerweile ganz neue Kreationen – so findet sich heute Basilikum oder auch Salbei in fast jeder Mischung.
Kaum eine andere Region Frankreichs zählt so viele Spitzenköche wie die Provence. Und selbst die großen Zeremonienmeister der Gastronomie bleiben bei den einfachen provenzalischen Grundrezepten. Von der Sonne verwöhnte Tomaten oder Zucchini brauchen nur einen Hauch von frischen Kräutern und einen Schuss Olivenöl, um ihren ganzen Geschmack zu entfalten. Und apropos Olivenöl: Auch da kommt das allerbeste aus der Provence! Verkosten kannst du es praktisch überall, im Restaurant natürlich, aber auch direkt in den Ölmühlen oder bei den Produzenten.
Viel Gemüse, Fisch, Olivenöl, Knoblauch und guter Wein sorgen dafür, dass die Provenzalen die höchste Lebenserwartung in ganz Frankreich haben. Dabei widerspricht die hiesige Ernährungstradition eigentlich den Bauernregeln des Nordens. Wie oft in südlichen Ländern fällt das Frühstück (petit déjeuner) eher karg aus: Eine Tasse Kaffee, eventuell mit Milch (café crème), dazu Baguette, Butter und Marmelade, manchmal noch ein Croissant oder ein mit Schokolade gefülltes Blätterteigteilchen (pain au chocolat), das reicht meist schon für den Tagesanfang.
Beim Mittagessen (déjeuner) zwischen 12 und 14 Uhr werden dann oft schon drei Gänge aufgefahren. Das Menü ist heute noch wichtig und besteht aus Vorspeise (entrée), Hauptgang (plat principal) mit Fleisch (viande), Fisch (poisson) oder Geflügel (volaille) und zum Abschluss Käse oder Dessert. Aber die Essgewohnheiten wandeln sich langsam: In den meisten Restaurants der Gegend wird niemand mehr schief angeschaut, der mittags nur einen großen Teller gemischten Salat (salade composée) essen möchte oder sich auf das meist preiswerte Tagesgericht (plat du jour) beschränkt.
Nachmittags, bei der Pause in einem Straßencafé, ist der kleine Schwarze angesagt, der café in der Espressotasse, oder auch die noisette, der kleine Schwarze mit ein wenig Milch. Einheimische lassen sich zur Abwechslung oft auch einen Frucht- oder Kräutersirup wie menthe à l’eau oder grenadine kommen, der mit Wasser aufgefüllt wird. Oder eine tomate: Das ist nicht etwa ein Tomatensaft, sondern ein Pastis mit Grenadinesirup! Als diabolo bekommst du den gleichen Grenadinesirup, aber mit Limonade aufgefüllt. Als monaco schließlich bestellst du den grenadine, wenn du ihn mit halb Bier, halb Limo trinken willst. Wundere dich übrigens nicht: Gerade wenn es „nur“ ums Trinken geht, wird in kaum einer Bar automatisch eine Karte gebracht. Man bestellt nach Lust, Tageszeit und Klima.
Abends, zum dîner, das die Franzosen nie vor 20 Uhr bestellen, entfaltet die Küche der Provence dann ihre ganze Pracht. Zwei, drei Stunden solltest du dir für das Abendessen Zeit lassen, um ein mehrgängiges Menü richtig zu genießen. Richtige Genießer bestellen erst mal einen Aperitif. Ein südfranzösischer Klassiker ist der Anisschnaps Pastis, der immer mit Eis und Wasser verdünnt getrunken wird.
Erst wenn das Hauptgericht ausgesucht ist, wird der Wein bestellt. Es soll ja schließlich zusammenpassen! Zu einfachen Mahlzeiten passt fast immer ein preiswerter offener Wein (pichet oder en carafe). Aber natürlich hat praktisch jedes Restaurant auch einen Keller mit Weinen der Region. Da sind einmal die Anbaugebiete mit der kontrollierten Herkunftsbezeichnung AOP (Appellation d’Origine Protégée) wie Cassis, Bandol oder das kleine Gebiet um Palette sowie die weltweit gerühmten Weine von Gigondas oder Châteauneuf-du-Pape im Rhônetal. Dazu stoßen in den letzten Jahren immer mehr edle Tropfen aus Gebieten, über deren Produkte die Kenner früher nur die Nase rümpften. Jetzt fordern Weingüter rund um Aix-en-Provence die bis dato übermächtige Konkurrenz aus Burgund und Bordeaux heraus.
Zum Gedeck gehört selbst in Spitzenrestaurants der Gratiskorb mit Weißbrot ebenso selbstverständlich dazu wie die ebenfalls kostenlose Karaffe mit Leitungswasser (carafe d’eau). Und falls hinterher noch ein Digestif gebraucht wird: Ein Klassiker ist der génépi, ein Kräuterlikör (Edelraute) aus den Alpen.
In der Provence ist es übrigens wie in allen romanischen Ländern üblich, dass für einen Tisch nur eine gemeinsame Rechnung ausgestellt wird. Man hat gemeinsam getafelt, dann wird gemeinsam bezahlt. Trinkgeld wird nach Leistung gegeben: War der Service gut, gibt man etwas, wenn nicht, auch mal nichts – da sind die Provenzalen knallhart. Die meisten Restaurants haben einen Ruhetag pro Woche und häufig saisonal wechselnde Öffnungszeiten; empfehlenswert ist daher immer eine Reservierung.
Mit Frischkäse (brousse) gefüllte Zucchiniblüten
Rührei mit Trüffeln
Auberginen, Paprika, Tomaten, Zwiebeln und Zucchini, in Olivenöl gedünstet
Suppe aus weißen Bohnen, Tomaten und Zucchini mit einer dicken Paste aus Basilikum, Knoblauch und Olivenöl
Mit Hackfleisch und Spinat gefüllte Gemüse
Mit Kräutern und Weißbrotkrumen gratinierte Tomaten
Knoblauchmayonnaise mit gedünstetem Kabeljau, Gemüse, Kartoffeln und hart gekochten Eiern zum Dippen
Stockfischpüree
Fischsuppe mit Fischstücken, Krustentieren und Kartoffeln, dazu croûtons mit rouille, einer Sauce aus Knoblauch, Olivenöl, Chili und Fischsud
Mit Gemüse und viel Rotwein geschmortes Ragout aus der Rinderschulter
In Rotwein geschmortes Stiergulasch aus der Camargue
Im Ofen gebackene Keule von Lämmern aus den provenzalischen Alpen
Gefüllte Lammkutteln und -füße in einer Tomaten-Wein-Sauce
Parfait aus weißem Montélimar-Nougat mit Honig
Mit Lavendelblüten und Lavendelhonig aromatisiertes Eis
Flacher Kuchen mit karamellisierten Pinienkernen