Was soll man erwarten von Menschen, die an der Küste leben? Der Ostsee-Anwohner liebt seinen Fisch. Am liebsten frisch vom Kutter und dann schnell geräuchert oder gebraten. Dazu eine ordentliche Portion Bratkartoffeln, und schon ist das Nordlicht zufrieden. Auf Speisekarten dominieren Butt und Scholle, in Speck gebraten, Dorsch gekocht mit Senfsauce, Seezunge und Hecht sowie Makrele, Hering und Aal. Die Krabben aus der Nordsee kommen gern zusammen mit Rührei und Schwarzbrot auf den Tisch. Und das Lieblingsfastfood? Na, Fischbrötchen natürlich.
Wer sich in Schleswig-Holstein an traditionelle Spezialitäten hält, wird in der Regel kaum enttäuscht. Dazu gehört auch das herbe Bier aus der bekannten Flensburger Brauerei. Genau, das mit dem Ploppverschluss. Rum muss, Zucker darf, Wasser kann sein: Die Rede ist vom Grog, dem Getränk der Wahl, wenn an der Küste eine besonders steife Brise weht. Ähnlich wärmende Wirkung haben auch Glühpunsch, Eiergrog und Geele-Köm- Punsch aus Tee und gelbem Köm (Kümmelschnaps). Wo der Norden es im Allgemeinen mit den härteren Getränken hält, macht Lübeck eine Ausnahme, denn die Hansestadt hat ihren Rotspon. Das raue Seeklima begünstigt die Entwicklung dieser bei Kennern geschätzten französischen Rotweine, die in Barriquefässern ausreifen.
Die Schleswig-Holsteiner sind Leckermäuler und zwar zu jeder Tageszeit. Zum Nachtisch isst man an der Küste gerne rote Grütze mit Vanillesauce oder flüssiger Sahne, manchmal auch Traditionelleres wie den „großen Hans“. Der kommt in verschiedenen Variationen vor, z. B.: Ein Klumpen Hefeteig wird in einen Beutel gegeben und in einem Topf mit Wasser und Speck etwa zwei Stunden gekocht. Ist er gegart, bestreut man ihn mit Zucker und serviert Backobst und Fruchtsauce dazu. Wer es literarisch mag: Thomas Mann machte mit den „Buddenbrooks“ den Plettenpudding über den Norden hinaus bekannt. Der Schichtpudding aus Makronen, Himbeeren, Biskuits und Eiercreme wird nicht nur in Lübeck serviert. Und zum Nachmittagskaffee gehört ein Stück Kuchen sowieso dazu.
Die Möglichkeit, an der Küste eine passende Futterquelle zu finden, ist hoch. Fast jedes Hotel verfügt über ein eigenes Restaurant, in dem es meist eher gutbürgerliche Küche gibt. Die Küstenorte mit eigenen Häfen haben oft tolle Fischrestaurants. Gekocht wird nach Angebot: Was in den Netzen war, kommt auf den Tisch.
Auch die Feinschmeckerküche hat deutlich an Niveau gewonnen. Das zeigt nicht nur die Zahl der Spitzenköche, die sich an der Küste niedergelassen haben. Ein Aushängeschild ist das Schleswig-Holstein Gourmet Festival, das von September bis April Spitzenköche ins Land lockt (gourmetfestival.de). Die bodenständige Alternative dazu ist das Ostseegericht: Seit 40 Jahren wetteifern Gastronomiebetriebe an der Küste und im Hinterland zum Saisonauftakt um die originellsten und schmackhaftesten Gerichte aus der regionalen Küche, die dann jeweils eine Saison lang günstig angeboten werden.
Wie auch immer sich das entwickelt haben mag, der Norden mag es süß-sauer. Frischer Grünkohl? Da muss Zucker drüber. Holsteiner Sauerfleisch? Geht nur, wenn ordentlich Essig drin ist. „Brooken Sööt“ nennt der Norddeutsche dies – gebrochene Süße. Auf den ersten Bissen mag es ungewohnt sein, doch schon beim zweiten schmeckt es, wetten? Gutes Beispiel ist die beliebte Hausmannskost aus Speck, grünen Bohnen und kleinen Perlbirnen, die mit Stumpf und Stiel gekocht werden. Die Süße der Birnen verbindet sich mit dem kräftigen Raucharoma des Specks zu einem besonderen Geschmack.
Viele Gastronomen haben die regionale Küche neu entdeckt und servieren althergebrachte Gerichte in zeitgemäßer Form. Für Speisen mit frischen Zutaten aus einheimischer Produktion wirbt die Initiative „Feinheimisch“, in der sich Küchenchefs, Erzeuger und Gäste zusammengeschlossen haben (feinheimisch.de). Wenn es im Herbst und Winter ungemütlich wird, stehen dicke Suppen und Eintöpfe zum Aufwärmen hoch im Kurs. Holsteinische Kartoffelsuppe, fein gewürzt und eher wie ein Eintopf in vielen Landgasthäusern serviert, geht dann durch und durch und wärmt kalte Finger wieder auf. Fruchtig, für manche ungewöhnlich und ein Heilmittel bei Erkältung ist die Fliederbeersuppe mit Grießklößchen. Für alle, die von südlich der Elbe angereist sind, ist Labskaus etwas für Mutige. Das liegt an Farbe und Konsistenz des Gerichts. Das an Land wohl bekannteste Seemannsgericht sieht aus wie „vorgekaut“. Der Smutje soll in diesem Gericht sämtliche Vorratsreste einer langen Reise verarbeitet haben. Heute präsentiert sich Labskaus an Land weniger dramatisch. Hinein gehören gepökeltes Fleisch, Rote Bete und Kartoffeln, gekrönt von einem Matjes.
Kleine, heringsähnliche Räucherfische
Eingelegter, junger Hering
mit Käse oder Katenschinken
mit Holsteiner Katenschinken
mit Kochwurst, Kassler, Schweinebacke und Kartoffeln
Gebratener Fisch, dazu Bartkartoffeln
mit Birnen und Bohnen aus dem Garten
Gartengemüse gekocht mit Milch, Kartoffeln und einem Schinkenknochen, mit Matjes
mit Milch oder Vanillesauce
Süßes Hefegebäck mit Apfelmus
Biskuit, Makronen, Himbeeren und Eiercreme geschichtet
Teigklöße mit Dörrobst oder Specksauce und Sirup
Kaffee mit Rum und Sahnehäubchen
mit Flensburger Rum
aus Rum und schaumig geschlagenem Eigelb
aus französischem Rotwein