Hering z. B., der Inbegriff des Ostseefischs, wird im März und April gefangen, und zwar so lange, bis die Fischer ihre Quoten abgefischt haben. Wenn die Heringszeit vorbei ist, hat ein paar Wochen der Hornfisch mit seinen grünen Gräten Saison. Und was bleibt dann noch für den Rest des Jahres? Im Sommer landen Zander, Hecht, Barsch und Aal aus dem Bodden, Flunder, Dorsch, Lachs, Meerforelle und Hering aus der offenen Ostsee in Töpfen und Pfannen. Alles, was darüber hinaus an Fisch angeboten wird, kommt vermutlich nicht von hier. Ganz so einfach ist das Thema Fisch auch deshalb nicht, weil die Fangquoten seit Jahren sinken – durch die industrielle Fischerei, aber auch den Klimawandel sind die Bestände ausgedünnt.
Wenn du die verbliebenen Fischer unterstützen willst, kauf deinen Fisch direkt bei ihnen. Die Boddenfischer haben sich in Genossenschaften zusammengeschlossen und betreiben schonende Stellnetzfischerei. Direktvermarktung und Veredelung von Fischereiprodukten laufen schon und sind weiter im Kommen, aber noch ausbaufähig. In Vitte auf Hiddensee z. B. verkaufen die Fischer ihren Fisch in Dosen mit schickem Design und Gruppenfischerfoto. Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, nämlich dass im Restaurant am Hafen auch der Fisch der lokalen Fischer in der Pfanne brät, ist eher eine Ausnahme. Was auch an der Nachfrage liegt.
Insgesamt kann man sich die Küstenküche wie den Entstehungsprozess eines Gemäldes vorstellen, bei dem nach und nach immer mehr Farben dazugekommen sind. Ursprünglich kam das auf den Teller, was eben so da war: Fisch, Wild, Fleisch von Hühnern und Schweinen, Kohl, Rote Bete, Möhren, Steckrüben. Gerade im Winter war das Angebot dürftig, und das Ergebnis ist eine eher arme, reduzierte Küche, in der es darauf ankommt, satt zu werden. Was trotzdem lecker sein kann, aber eben nicht sehr vielfältig ist. Weil es in einem eher menschenleeren Land viel Wild gibt, und Wildschweine, Rot- und Damwild oft aus dem nächsten Wald kommen, war und ist Wild ein wichtiger Bestandteil des lokalen Essens.
Neue Farbtöne brachte die Schwedenzeit aufs imaginäre (Speise-)Bild. Der Mecklenburger Rippenbraten wird seither mit Dörrobst geschmort, und an den Rotkohl gibt man in Pommern süßere Äpfel und mehr Zucker als anderswo. Auch in vielen anderen Gerichten findet sich diese schwedische, süßsaure Note. Süß geht natürlich auch gut als Nachtisch: Von Armen Rittern und Hagebuttenkompott weiß heute kaum noch jemand. Übrig geblieben ist aber die rote Grütze. Die aß man früher meist mit Milch, heute auch gern mit Vanillesauce oder Eis.
In den letzten Jahrzehnten ist das Küchengemälde deutlich bunter geworden: Die 40 Jahre Zugehörigkeit zur DDR reichten aus, um Borschtsch, die russische Kohlsuppe, und Soljanka fest zu etablieren. Spätestens seit der Wende findet auf den Speisekarten Globalisierung statt, eine Farbenexplosion. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es kulinarisch mittlerweile alles. Das bereichert. Und ist gleichzeitig ökologisch manchmal fragwürdig. Was die Spitzenküche betrifft – die hat in den letzten fünf Jahren gewaltig an Fahrt aufgenommen. Mittlerweile kochen zehn Sterneköche an den Küsten, und damit ist Mecklenburg-Vorpommern unter den neuen Bundesländern Spitzenreiter. Renommierte Köche versuchen, in den internationalen Menüs lokale Einsprengsel unterzubringen. Und: Immer mehr Restaurants haben Regionalität und Bioessen für sich entdeckt, nehmen lieber den Apfel von nebenan als Litschis von weit weg. Was natürlich nur funktioniert, wenn eben das auch bestellt wird.
Auch wenn es bisher noch nicht so klang: Die meisten Restaurants haben auch vegetarische Gerichte auf der Karte. Für Veganer wird’s ein bisschen schwieriger. Restaurants, die keine Tierprodukte verarbeiten, findest du zuverlässig in den Städten wie Rostock, Greifswald und Stralsund. Aber gerade in der Saison solltest du dort besser einen Tisch vorbestellen.
Bist du gern nachmittags unterwegs? Dann solltest du Kaffee trinken gehen, denn gerade in der Cafészene ist viel in Bewegung. In vielen kleinen, persönlichen Läden werden Kuchen und zum Teil aufwendige Torten selbst gebacken, der Kaffee kommt nicht selten aus lokalen Röstereien und ist manchmal sogar fair gehandelt.
Apropos Kaffee. Was ist mit Getränken? Wenn es nach den Einheimischen geht: lieber Bier als Wein und eher Wasser als Saft. Obwohl Mosten seit Jahren ein Trend ist, und viele Gastgeber selbst gemosteten Saft anbieten oder verkaufen. Auch bei der Craft-Bier-Bewegung mischt Mecklenburg-Vorpommern mit. Ähnlich beliebt ist Selbstgebranntes, das bei den stark alkoholischen Getränken sogar dem „Pfeffi“, einem quietschgrünen, knirschend süßen Pfefferminzlikör, den Rang abläuft. Klassisches Küstengetränk ist daneben Grog. Wenn’s gesünder, aber auch lokal sein soll, dann bestell einen Sanddornsaft. Der schmeckt auch warm gut. Aber nur mit viel Honig.
dazu geröstetes Schwarzbrot
Hornhecht in köstlichem Kräutersud
Mit Joghurtdressing und Dill verfeinerte Gurkenscheiben
Kross gebratener Hering in Essigmarinade
Brathering mit Zitrone
Mit Bratkartoffeln und Salat der Saison
Kartoffelsuppe mit Pflaumen und Speck
Süßsaurer Braten, gefüllt mit Äpfeln und Backpflaumen
Rinderpökelfleisch mit Kartoffelstampf, Zwiebeln, Roten Beten und Hering
Ausgebackene Weißbrotscheiben, zuvor in Milch, Eiern und Zucker mariniert
Rote Beerenfrüchte mit Vanillesauce oder Eis
Erfrischendes Eis aus Sanddornsaft
Angedickt, mit Gießklößchen
Heißes Wasser mit Rum und Zucker
Mit Honig gesüßt