Italienische Restaurants etwa sind fast überall zu finden. Für den kleinen Hunger zwischendurch oder den schon allzu strapazierten Geldbeutel gibt es überall Fischimbisse – und auf den meisten Inseln auch einen türkischen Döner- und Kebabimbiss.
In vortouristischen Zeiten war alles anders. Armut präfte die typische Inselküche, die heute kaum noch angeboten wird. Nur einige ausgewählte traditionelle Gerichte stehen noch auf den Karten mancher Restaurants. Die Inseln hatten früher keine Getreidefelder, selten Gemüsegärten und, von Kühen abgesehen, kaum Vieh. So zeichnete sich die Küche damals durch die häufige Verwendung von Hülsenfrüchten und getrockneten Bohnen, von Speck und Pökelfleisch aus. Darauf basieren viele der alten ostfriesischen Spezialitäten.
Aber es gab natürlich auch Fisch, den die Insulaner selbst fingen. Heute reicht die Fischereiflotte Ostfrieslands bei Weitem nicht mehr aus, um die große Nachfrage der Gäste nach frischem Fisch zu befriedigen. Er wird zumeist in den großen Fischereihäfen von Bremerhaven und Cuxhaven eingekauft – und oft tiefgefroren geliefert. Das tut dem Geschmack nicht unbedingt Abbruch, da die Wirte den Fisch hervorragend zuzubereiten wissen.
Eine typische Spezialität sind die kleinen Krabben, die eigentlich Garnelen sind, in Ostfriesland jedoch nur Granat genannt werden. Sie sind teuer, aber köstlich – besonders, wenn man sie frisch gekocht und ungeschält direkt vom Krabbenkutter kauft und sie in etwas mühevoller Kleinarbeit selber „auspult”. Die kleinen Krabben werden auch gern in Verbindung mit anderen Zutaten serviert: als Krabbenomelett, mit Schweinesteaks oder Spiegelei. Ihre großen Brüder, die Scampi, sind zwar auch häufig auf Speisekarten zu finden, stammen jedoch meist aus Zuchtbetrieben in Asien oder Südamerika.
In Läden bekommt man „frischen Granat“ auch geschält, dann ist er aber oft weit gereist: Die meisten Krabben Ostfrieslands werden aus Kostengründen zum Schälen extra nach Polen oder Nordafrika gebracht, bevor sie, zurück in ihrer ostfriesischen Heimat, munden sollen. Miesmuscheln stammen zumeist von Muschelbänken im niedersächsischen und holländischen Wattenmeer. Sie schmecken lecker – aber Miesmuscheln sind auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten in Deutschland sogar als stark gefährdet eingestuft. Aus diesem Grund raten der WWF und die Verbraucherzentrale des Landes Bremen von ihrem Genuss ebenso ab wie vom Verzehr von Rotbarsch, Schillerlocken, Haisteaks und der so beliebten Scholle. Insbesondere Baby- und Maischollen sollten gemieden werden, um ihnen Zeit zu lassen, zu voller Größe heranzuwachsen.
Ohne Umweltbedenken kann man dagegen ein Gericht genießen, das im Winter vor allem auf Wangerooge auf den Tisch kommt, einer Insel, die historisch gesehen zum Oldenburger Land gehörte. Hier serviert man Oldenburger Grünkohl. Dazu gibt es meist Kartoffeln und eine grobkörnige Grützwurst, die den gewöhnungsbedürftigen Namen „Pinkel“ trägt.
Empfehlenswert ist daneben der Milchreis, der zu einem gut sättigenden Nationalgericht geworden ist. Mit Früchten und Beeren verfeinert kann er jedes andere Hauptgericht ersetzen. Aus Beeren wird auch eine typische Nachspeise bereitet: die rote Grütze, die mit frischer Sahne oder Vanillesauce am besten schmeckt. Die regionaltypische Beere ist die des Sanddorns. Sie wird ebenso zum Aromatisieren von Tee, Honig und Zucker genutzt wie zur Herstellung von Bonbons, Likör und Schnaps, Marmeladen und Gelees. Und in jedem Inselcafé wird Sanddorntorte angeboten.
Auf der Getränkekarte steht in den Cafés und Teestuben das ostfriesische Nationalgetränk, der Tee, obenan. Die Ostfriesen haben das Teetrinken zwar nicht erfunden, aber besonders kultiviert. Über die norddeutschen Häfen wurde früher Tee für viele Länder Europas importiert; deswegen wird er hier bis heute viel mehr konsumiert als im Süden Deutschlands.
Bei der ostfriesischen Mischung dominieren kräftige Assamsorten. Noch wichtiger als die Blätter selbst sind jedoch die Zubereitung und die Trinkzeremonie. Zunächst einmal wird die Kanne mit heißem Wasser ausgespült. Dann werden die Teeblätter mit sprudelnd kochendem Wasser übergossen. Drei Minuten lang muss der Tee ziehen, dann hält ein Stövchen die Kanne und den Inhalt warm. In die dünnwandige Porzellantasse kommen zunächst mehrere Stück Kandiszucker, Kluntjes genannt. Wenn der heiße Tee darüber gegossen wird, knistern sie herrlich. Dann hebt man mit einem zierlichen Löffel vorsichtig frische Sahne in die Tasse, rührt aber nicht um. Die Sahne soll wie eine Wolke im Tee zergehen.
Das raue Nordseeklima lieferte Küsten- und Inselbewohnern schon immer einen guten Grund, auch Hochprozentigem zuzusprechen. Beliebt sind auch – besonders natürlich an kühlen Tagen – alkoholische Heißgetränke wie Sanddorngrog, Pharisäer (Kaffee mit Rum) oder Eiergrog: Rumgrog mit einem geschlagenen Eigelb. Wohl bekomm’s!
Kartoffelsuppe mit Speck und viel Granat
Kleine Nordseekrabben, noch an Bord des Kutters gekocht
Dip zu Pellkartoffeln: Speck und Zwiebeln gebräunt in einer Mehlschwitze und mit Milch abgelöscht
Grünkohl mit durchwachsenem Speck, Kassler, Mettwürsten und Pinkelwurst aus Hafergrütze, Zwiebeln und ausgelassenem Bauchspeck
Pökelfleisch oder Corned Beef, vermischt mit gestampften Kartoffeln, dazu Matjes, Gewürzgurke, Spiegelei und Rote Bete
Bratkartoffeln aus rohen Kartoffeln mit Speck, Zwiebeln und Granat
Gebratene Scholle mit Speckwürfeln
Pfannkuchen aus Weizen- und Roggenmehl mit Zuckerrübensirup, Schinkenspeck und Mettwurst
Steckrüben mit selbst gemachtem Kartoffelpüree und extra viel Lammoder Rindfleisch
Bohnen, gekocht mit viel durchwachsenem Speck und Mettwürstchen
Biskuittorte mit Schlagsahne und in Rum eingelegten Rosinen
Rumgrog mit einem geschlagenen Eigelb
Originalgetreu mit Kluntjes und Sahnewolke