Müsste man ein für die südlichen Voralpen typisches Gericht auswählen, wäre dies sicherlich die Polenta. Eine herzhafte Polenta darf man sich auf gar keinen Fall entgehen lassen, denn sie ist weit mehr, als die profane deutsche Bezeichnung Maisgrießbrei vermuten lässt. Selbst Gourmetköche servieren Polentakreationen. Im Pastaland Italien gibt es natürlich auch überall Teigwaren. Kaum ein Restaurant, das auf sich hält, verzichtet auf handgemachte Ravioli, Agnolotti oder Tortellini. Ein Klassiker ist auch der Risotto mit seinen vielfältigen Varianten. Schließlich grenzt das Seengebiet direkt an die großen Felder des Piemonts und der Lombardei – das größte Reisanbaugebiet Europas mit seinen Edelsorten Arborio, Vialone und Carnaroli. In den Berggebieten gab es Risotto lange Zeit nur an Festtagen. Daran erinnern im Tessin heute noch die risottate während der Karnevalszeit, wenn auf der Hauptpiazza in großen Kesseln Risotto gekocht wird.
In den kargen Tälern des Tessins und Norditaliens war im Winter oft Schmalhans Küchenmeister. Zur Hungerstillerin par excellence avancierte die Kastanie, die nach der Ernte getrocknet und zu Teigwaren, Brot und Kuchen verarbeitet wurde. „Im Herbst gab es Kastanien, die aßen wir drei Monate lang, früh, mittags und abends“, schreibt der 1979 gestorbene Tessiner Schriftsteller Plinio Martini im Roman „Nicht Anfang und nicht Ende“. Mit zunehmendem Wohlstand in der Nachkriegszeit verlor die stachlige Frucht an Bedeutung und wurde als das „Brot der Armen“ verschmäht. In jüngster Zeit hat sie aber eine Renaissance erfahren, nicht zuletzt deswegen, weil sie kulinarisch vielseitig verwendbar ist. Selbst Spitzenköche integrieren die Kastanie mittlerweile in ihre Menüs.
Eine weitere Delikatesse aus den Wäldern sind die Kräuter und Steinpilze (porcini), die sowohl im Risotto als auch mit Teigwaren ein Hochgenuss sind. Ein anderes Relikt aus der cucina povera, der „armen Küche“, ist die Gemüsesuppe Minestrone – ursprünglich nichts anderes als eine Verwertung von Gemüseresten.
Die Bevölkerung an den Seen wiederum ernährte sich während Jahrhunderten vorwiegend von dem, was der lago hergab. Heute ist die berufliche Fischerei fast völlig verschwunden (am Lago Maggiore sind noch knapp zwei Dutzend hauptberufliche Fischer tätig), weshalb man dem Prädikat „Frisch vom See“ zuweilen misstrauen darf. Doch noch immer tummelt sich in den Gewässern und auf den Speisekarten Fisch in großer Zahl. Dazu gehören trota (Bachforelle), lavarello bzw. coregone (Felchen, Maränen), persico (Flussbarsch), alborella (Ukelei) oder der leider selten gewordene salmerino (Saibling).
Fester Bestandteil eines jeden Menüs ist il dolce, das Dessert. Klassiker sind tiramisù, panna cotta (eine Art Sahnepudding), crostata (Mürbeteigkuchen mit Marmelade) und natürlich gelato (Eis). Probieren sollte man auch den Brotkuchen torta di pane, eines der feinsten Gerichte aus Resten, das die Phantasie armer Leute je erfunden hat! Nach dem Dessert gönnt man sich meist noch einen caffè (Espresso, mit einem Klecks Milch heißt er macchiato). Er ist das Signal zum Aufbruch und eines der letzten Rituale, das noch penibel gepflegt wird.
Die in Italien typische Speisenfolge – antipasto (Vorspeise), primo (erster Gang: Pasta, Reis oder Suppe), secondo (Fleisch oder Fisch) mit contorno (Kartoffel-, Gemüse- oder Salatbeilage) und dolce (Nachspeise) – wird auch von Einheimischen flexibel gehandhabt. Man darf also ruhig einen oder mehrere Gänge überspringen. Als piatto unico ohne die klassische Unterteilung in primo und secondo werden meist Polenta (z. B. zusammen mit Ragout oder Käse) und natürlich die allseits beliebte Pizza serviert, zu der Italiener übrigens fast immer Bier und nicht Wein trinken. In Restaurants werden pane e coperto, Brot und Gedeck, unabhängig vom Verzehr als gesonderter Posten in Rechnung gestellt. Der Betrag, der meist um 2 Euro pro Person beträgt, aber auch höher ausfallen kann, ist immer auf der Karte ausgewiesen. Italiener bezahlen oft an der Kasse am Tresen oder in der Nähe des Eingangs und verlangen die Rechnung nicht mehr am Tisch. Das vereinfacht auch das Bezahlen mit Karte.
Aus dem Piemont stammen der verbreitete Barbera, der fruchtigere Dolcetto oder der so berühmte wie teure Barolo. Letzteren kann man gut durch einen Ghemme oder Gattinara ersetzen, ebenfalls aus roten Nebbiolotrauben. Die Reben reifen keine 30 km vom Ufer des Lago Maggiore entfernt. Jüngst wurden im Ossolatal die alten, mit Trockenmauern terrassierten Weingärten wiederbelebt, wo an Pergolen u. a. die autochthone Rebsorte Prünent reift. Auch die lombardischen Anbaugebiete Veltlin, Oltrepò Pavese oder Franciacorta erfreuen sich großer Beliebtheit und ebenso die Tropfen der Tessiner Winzer. Aus den Merlottrauben, die mitunter direkt an den Hängen um die Seen reifen, keltern sie teils exzellente Weine. Der Merlot passt ideal zu Minestrone, gegrilltem Fleisch und kräftigen Hauptgerichten ganz allgemein.
Felchen in Essigmarinade
Trockenfleisch, Wurst und Käse aus dem Ossolatal
Forellentatar mit Croûtons
Getrocknete Fische nach Art vom Comer See
Aus Kartoffeln und Mehl geformte Klößchen mit Salbeibutter
Steinpilzrisotto
Teigtaschen mit Frischkäse und Basilikum
Bandnudeln mit Kaninchenragout
Forelle mit Rosmarin
Felchen in Weißweinsauce
Kuttelsuppe
Zicklein im Ofen
Geschmorte Kalbshaxe
Lombardischer Eintopf mit Schweinefleisch und Wirsing
Brotkuchen vom Comer See mit Äpfeln, Birnen und Trauben
Maronenkuchen
Sorbet des Tages