Überall begegnet man grasenden Kühen, die durch ihre Grundfarbe Beige auffallen. Sie sind meist dunkelrot bis braun gefleckt. Die vache normande, ursprünglich eine Kreuzung verschiedener Milchvieharten zur Ertragsoptimierung, bildet mit ihren Milchprodukten von Rahm über Butter bis zu diversen Käsesorten die köstliche Basis der Küche.
Die normannische Küche ist erdverbunden, so wie sich die Normannen selbst meist eher als Landmenschen denn als Küstenbewohner verstehen, und trägt stets stark lokal geprägte Charakterzüge. Die enorme Fruchtbarkeit der Region bringt ihr in der Produktion von Gemüse und Salat eine Spitzenstellung ein, Rohkostsalate (crudités) stehen ebenso oft auf der Karte wie – vor allem auf dem Land – Gemüsesuppen, die mittlerweile wieder hoch im Kurs stehen. Die Qualität der Zutaten und ihre Frische dank der kurzen Wege tragen dazu bei, dass man sich an manches Essen noch erinnert, wenn der Urlaub längst vorbei ist.
Das milde Klima erlaubt es, Rinder fast ganzjährig auf der Weide zu belassen. Deren Fleisch schmeckt daher besonders aromatisch. Dies gilt auch für das Salzwiesenlamm, das agneau des prés salés, berühmt vor allem am Mont-Saint-Michel, wo es auf regelmäßig vom Meer überspülten Marschen weidet. Geflügel wird oft frei gehalten und mancher wird hier (wieder-) entdecken, wie gut ein Huhn – oder auch dessen Ei – schmecken kann.
Der herbstliche Beginn der Fangsaison von Jakobsmuscheln vor der Küste ist für viele ein ähnlich herbeigesehntes Ereignis wie andernorts die Ankunft des Beaujolais Primeur. Austern hingegen werden auch in der Normandie normalerweise nicht mehr wild abgeerntet – an vielen Orten des Cotentin und nahe der Seinemündung ist man zur Zucht übergegangen. Auf Austernbänken (eigentlich eher Tischen) zieht man sie in Säcken auf. Das Meer zeichnet dann für das Gedeihen des exquisiten und gesunden Schalentiers verantwortlich, das bei jeder Flut aufs Neue überspült und mit nahrhaftem Plankton versorgt wird. Ähnlich ist es bei den Miesmuscheln, die vor allem am Mont- Saint-Michel als moules des bouchots, als Pfahlmuscheln , an 4 m hohen, im Watt versenkten Eichenpfählen gezüchtet werden.
Der Meeresgrund vor der Küste ist in der Normandie eher flach und sandig. An Fischen finden sich daher auf den Tellern vor allem Plattfische wie Steinbutt (turbot), Seezunge (sole), Kliesche (limande) oder Scholle (plie). In Dieppe genießt man die lisette, eine kleinere Makrelenart.
Der wohl berühmteste normannische Käse ist der Camembert in der typischen Spanholzverpackung, den man klassischerweise ohne Rinde zu grünem Salat genießt. Doch auch der oft in Herzform hergestellte Neufchâtel aus dem Ort Neufchâtel-en-Bray, der ebenfalls nach seinem Produktionsort benannte, leicht salzige Weichkäse Pont-l’Évêque und der kräftige, orangerote, in fünf Schilfbänder eingerollte Livarot zählen zu den herausragenden normannischen Käsesorten. Beim Camembert schwören Eingeweihte auf den Camembert de Normandie AOC oder AOP (Appellation d’Origine Contrôlée bzw. Protégée). Eine Schutzvereinigung hat durchgesetzt, dass echter Camembert zur Erlangung der kontrollierten Herkunftsbezeichnung aus Rohmilch (lait cru) hergestellt werden muss und keinesfalls aus pasteurisierter Milch. Einige Firmen wollten diese Bedingung aus Kostengründen kippen.
Äpfel und Birnen sind Basis für viele alkoholische Getränke, vor allem für Cidre und Calvados, die ursprünglich aus Nordspanien stammen und über die Bretagne und die Britischen Inseln hierherkamen. Auch wenn Cidre heute nicht mehr so selbstverständlich zum Alltag der Region gehört wie einst, ist der vergorene Apfelmost zumindest Symbol für normannische Lebensart. Und er ist nach wie vor Ausgangsprodukt für die Destillation zu Calvados.
Man trinkt Cidre pur als erfrischenden Durstlöscher oder als Aperitif kir normand, d. h. mit einem Schuss Cassis, dem Likör aus schwarzen Johannisbeeren. Selbst zu einem würzigen Käse wie reifem Camembert oder Livarot trinken echte Normannen keinen Rotwein, sondern traditionell fruchtig- trockenen Cidre, und zwar aus der bolée, der typischen Steinguttasse. Cidre gibt es als schwächere, in der Flaschengärung abgebremste Version (ca. zwei Prozent Alkohol), besserer Cidre jedoch erreicht etwa den Alkoholgehalt eines deutschen Biers.
Der pommeau ist ein fruchtiger Aperitif, der erst gegen 1970 erfunden wurde: Zwei Jahre alter Calvados wird dazu mit Saft aus herben Äpfeln im Verhältnis 1:2 vermischt und ruht dann mindestens 14 Monate im Eichenfass. Der poiré ist ein Cidre aus Birnen; für viele ist der beste der Poiré AOC de Domfront. Das schwach alkoholische Getränk ist ein erfrischender Aperitif an heißen Tagen.
Heiße Austern in Sauce aus pommeau
Jakobsmuscheln in einer Sauce aus Sahne und Muschelsud mit Schnittlauch
Eintopf aus mehreren Fischarten, Muscheln, Krabben, Gemüse und Sahne
In Weißweinsud gedämpfte Miesmuscheln mit Schalotten und Petersilie
Kleine Hummer, in Weinsud zubereitet und in zerlassener Butter serviert
Kabeljau in Champignonsauce
Fisch in einem Sud mit Crème fraîche
Kalbsschnitzel in Sahnesauce
Keule vom Salzwiesenlamm
Geröstete Ente mit Sauce aus Entenblut, Rotwein und Calvados
In Cidre und Calvados marinierter Rinderbraten
In Cidre und Calvados geschmorte Kutteln
Innereienwurst aus Vire
Blutwurst mit gerösteten Zwiebeln und Apfelringen
Aus Geflügelfleisch, Eiern und Sahne bereitete Bratwurst
Mit Zucker, Sahne und Apfelringen und mit Calvados am Tisch flambiert
Dünnteigiger Apfelkuchen mit Crème fraîche
Milchreis mit Zucker und Zimt