Der berühmteste Vertreter der spanischen Küche ist die Tapa. Woher der Brauch stammt, alkoholische Getränke zusammen mit Häppchen zu konsumieren, darum ranken sich unzählige Legenden. Die älteste geht ins 13. Jh. zurück. Damals soll der kränkelnde König Alfons X. von seinem Leibarzt die Empfehlung bekommen haben, Speisen stets in kleinen Portionen zu verzehren. Ein Ratschlag, den der kluge Monarch an die Untertanen weitergab. Andere Quellen behaupten, die Katholischen Könige Fernando und Isabel hätten im 15. Jh. befohlen, Alkohol in den Tavernen des Landes nur noch in Begleitung kleiner Gerichte auszuschenken, weil das Volk zu oft einen in der Krone hatte. Am hartnäckigsten hält sich die These, dass es ein südspanischer Kellner war, der einst ein Bierglas mit einem Tellerchen und ein paar Oliven darauf abdeckte. Ob zum Kundenfang oder um das Getränk vor durstigen Fliegen zu schützen, auch darüber scheiden sich die Geister. Fakt ist lediglich, dass der Begriff tapa vom spanischen Wort für bedecken herrührt: tapar.
Wie so oft, tanzen die Basken auch in Sachen Tapas aus der Reihe. Hier heißt das Häppchen pintxo, benannt nach jenen Holzstäbchen, auf die die ersten Kreationen gespießt wurden. Die „Mutter aller pintxos“ wurde wohl in den 1940er-Jahren in der Bar Casa Vallés in San Sebastián erfunden und heißt Gilda. Das mit Anchovis, Pfefferschoten und Oliven gespickte Spießchen soll derart scharf gewesen sein, dass es einen Gast zu einem Vergleich mit dem heißen Handschuh-Striptease der US-Schauspielerin Rita Hayworth in dem Film „Gilda“ von 1946 anregte. Komisch nur, dass neben dem Tresen des erst 2003 eröffneten Restaurants Casa Lita im kantabrischen Santander – und nicht nur da – ein Schild mit der Behauptung hängt, dort sei das frivole Häppchen erfunden worden. Auch bei Gilda liegen Wahrheit und Legende nah beieinander. Heute gilt übrigens sowohl für Tapas als für pintxos: Die Zeiten, in denen sich ihre Schöpfer mit ein paar Oliven zufriedengaben, sind lang vorbei. Es gibt sie in den exotischsten und experimentellsten Spiel- arten. Den besten Überblick verschafft man sich bei dem, was die Basken txikiteo und alle anderen tapeo nennen: von Bar zu Bar schlendern und in jeder ein anderes Häppchen (samt Drink) probieren.
Bei all den kulinarischen Finessen, mit denen Nordspaniens moderne Küche aufwartet, wird leicht vergessen, dass deren Ursprünge alles andere als nobel sind. Der Norden der Iberischen Halbinsel war einst bitterarm, die Frauen im Haus hatten ihre liebe Mühe und Not, die hungrigen Mäuler der oft großen Familie zu stopfen. Das ließ sich besonders gut mit deftigen Suppen und Eintöpfen bewerkstelligen, deren legendärste Vertreter bis heute überlebt haben. Im Baskenland heißt das Ganze marmitako und besteht hauptsächlich aus (Thun-)Fisch und Kartoffeln, die kantabrischen Nachbarn schwören auf cazuelas, Fischeintöpfe, in denen bevorzugt Seehecht und Sardellen zum Einsatz kommen. Die Asturier wiederum stehen auf fabada, einen Eintopf aus weißen Bohnen und allem vom Schwein, was gerade vor den Kochlöffel kommt, während der caldo calego, eine Suppe mit Kohl, Kartoffeln, Speck und Steckrüben, aus Galicien stammt.
Martín Berasategui, Pedro Subijana, Juan Mari Arzak (auch wenn bei der Kochlegende in San Sebastián mittlerweile Tochter Elena mit am Kochtopf steht): Die meisten besternten Stars der Nueva Cocina Vasca sind Kerle. Mit dafür verantwortlich ist eine baskische Kuriosität: die txokos, gastronomische Vereinigungen, zu denen nur Männer Zutritt haben. Frauen wird in den traditionellen Clubs zwar Einlass gewährt, jedoch immer nur als Gast, nie am Herd. Gegründet wurden die ersten dieser sociedades gastronómicas Ende des 19. Jhs. der Legende nach aus purer Not heraus: Da in baskischen Haushalten stets die Frauen die Hosen anhatten, suchten die unterdrückten Gatten nach einem Ort, wo sie in Ruhe reden und einen heben konnten. Und da kamen sie auf die Idee mit den Kochclubs … Allein in San Sebastián gibt es heute rund 130 davon.
Von wegen, guter Wein braucht mildes Klima und sonnenverwöhnte Hänge! Im rauen Galicien bauen sie die frischen Weißweine Ribeiro und Albariño an, die Antwort der Basken auf guten Wein lautet Txakoli, ein spritzig-herber Tropfen, der im hohen Bogen ausgeschenkt wird. Übrigens ebenso wie der Apfelwein sidra. Auf den sind sie vor allem in Asturien versessen, wo sich mancherorts ganze Straßenzüge mit sidrerías aneinanderreihen. Wer’s ein bisschen spritiger mag, dem empfiehlt sich der galicische Tresterbrand Orujo, der auch schon mal knapp 50 Umdrehungen haben kann. Die leckersten Biere sind nach Meinung vieler das galicische Estrella Galicia oder das baskische Traditionsbräu Keler aus San Sebastián.
Spanier sind Spätaufsteher und Nachteulen. Im Vergleich zu den meisten europäischen Nachbarn ist der Tagesablauf um ca. zwei Stunden nach hinten verschoben. Wer nicht um neun im Büro sitzen muss, ist selten vor zehn beim ersten cortado – dem kleinen starken Kaffee mit einem Schuss geschäumter Milch – in der Bar anzutreffen. Zum Mittagessen geht es frühestens zwischen eins und zwei. Und wenn du abends um halb neun ein Restaurant betrittst, triffst du garantiert auf keinen Einheimischen. Die speisen erst zu vorgerückter Stunde. Selbst um Mitternacht kannst du dir in vielen Lokalen noch ein saftiges chuletón (ein Riesen-T-Bone-Steak vom Ochsen) reinpfeifen. Nach durchfeierter Nacht gibts in der Morgendämmerung dann chocolate con churros: dickflüssigen Kakao mit in Öl ausgebackenen Teigstangen oder -kringeln.
Kantabrische Anchovis
Kantabrischer Hummer
Fischbäckchen
Seehecht in grüner Sauce
Galicische Austern
Steinbutt
Miesmuscheln
Schwertmuscheln
Gekochter Krake mit Paprikapulver, grobem Salz und Kartoffeln
Weiße Bohnen mit Venusmuscheln
Gratinierte Jakobsmuscheln
Kantabrischer Bohneneintopf mit Speck und Schweinefleisch
Eisbein mit Rübstielgemüse
Dünnes Kalbssteak
Großes T-Bone-Steak von besonders alten Kühen
Milchreis mit karamellisierter Zuckerkruste
Puddingartiger Käsekuchen
Asturische Crêpes