Die traditionelle lettische Küche ist bodenständig und bäuerlich, ziemlich schwer, doch herzhaft lecker und auch voller Überraschungen. Gemüsesuppen (sak-ņu zupa) von kräftig bis klar, süße Mehl- und Quarkspeisen, Milchsuppen und deftige Gerichte wie graue Erbsen mit Speck, Graupensuppe und Aufläufe aus Buchweizen (griki) und Gerste (grūbas) prägen die Speisekarte des Hausgemachten.
Fleisch gehört immer dazu, ebenso Kartoffeln. Und natürlich die Früchte der Wälder: Honig, lettisch medus, Moos- und Blaubeeren sowie Pilze, auf jede nur denkbare Art zubereitet. Gewürzt wird eher sparsam. Das lettische Nationalgewürz allerdings wird dem Gast nicht lange verborgen bleiben: Was den Litauern ihr Dill, ist den Letten ihr Kümmel. Sie verfeinern damit fast alles, ob Fisch, Fleisch, Kartoffeln oder Brot.
Typisch für die lettische Küche ist die Vorliebe fürs Säuerliche. Auch ihr Nationalgericht putra, gekochte Gerstengrütze, ist für die Letten erst komplett, wenn sie es kräftig mit Sauerrahm abgeschmeckt haben. Zu vielen Speisen wird Brot gereicht. Brot, lettisch maize, gilt wie überall im Baltikum geradezu als Heiligtum. Typisch für Lettland und sehr schmackhaft ist dunkles Roggenbrot (saldskāba maize).
Jahrhundertelang lag das Baltikum unter Fremdherrschaft, was die lettische Speisekarte bis heute mitprägt. Den Deutschen schreibt man die lettische Vorliebe für geräucherten Fisch zu. Herzhafte Wildgerichte und Sauerkraut erinnern an polnische Traditionen. Die meisten Zutaten brachte Russlands Küche ein. Zweihundert Jahre Zusammenleben prägen: Russische Nationalgerichte wie der Borschtsch sind aus der lettischen Küche nicht wegzudenken. Die Letten bereiten die berühmte Rote-Beete-Suppe gern als Kaltspeise zu, mit einem Löffel Sahne wird chalodni borschtsch zur köstlichen Erfrischung an heißen Sommertagen. Beliebt sind auch Russlands bliny, die hauchdünnen Pfannkuchen aus Buchweizenteig. Man genießt sie sowohl als Vorspeise mit Pilzen oder Kaviar als auch zum Dessert, dann mit bittersüßer Moosbeerenkonfitüre bestrichen und - Sie ahnen es - einem Klecks putukrējums, Schlagsahne, obendrauf.
Das bekannteste Genussmittel der Russen ist freilich immer noch der Wodka, und den trinkt man auch in Lettland reichlich - vom allgemein bekannten „Stolitschnaja“ bis hinauf zum fast 50 Prozent starken „Sibirskaja“. Wer es milder mag, wähle eine baltische Sorte, z.B. den litauischen „Kristalinė“-Wodka.
So klar das Wässerchen daherkommt, so abgründig dunkel schimmert Lettlands hochprozentiges Nationalgetränk: Balzāms, der legendäre schwarze Kräuterlikör, ein echter Exportschlager. Auch aromatische Honig- und Beerenschnäpse sind typisch für das Baltikum. Probieren sollte man den Allažu kimelis, einen rustikalen Kümmellikör.
Weinliebhaber indes erwarten von Lettland besser nicht zu viel. Lettland ist ein Bierland und wie die anderen beiden Ostseerepubliken auch mächtig stolz auf seine lebendige Brautradition. Hier gibt es noch viele kleine Privatbrauereien, die ein würziges, zum Teil sehr starkes Bier (alus) brauen. Außer dem Gerstensaft des Rīgaer Marktführers „Aldaris“ lohnt es sich, die Biere aus der Provinz zu probieren, vorzüglich schmecken „Cēsis“, „Līvu“ oder „Kimmel“. Vielerorts wird ein süffiges Bauernbier gebraut, doch Vorsicht: Das Zeug hat's in sich. „Prost“ heißt auf lettisch übrigens „Priekā“!
Längst hat sich neben der traditionell baltischen auch die internationale Küche etabliert, vor allem in den großen Städten, unter denen wiederum Rīga in einer eigenen Restaurantliga spielt. Ob armenisch, malaysisch, türkisch oder französisch - in Lettlands Metropole kein Problem. Auch auf der Fastfood-Seite der gastronomischen Skala muss Rīga längst keinen Vergleich mit westeuropäischen Metropolen mehr scheuen. Übrigens werden auch in vielen Cafés (kafejnica) gute Mahlzeiten serviert. Junge Leute zieht es vor allem in die quirligen Restaurantfilialen der Lido-Kette. Deren Atpūtas centrs in Rīga, das „größte Blockhaus der Welt“, ist regelrecht Kult.
Die einheimische Küche ist dennoch nicht in Gefahr unterzugehen. Viele Restaurants haben traditionelle Gerichte auf der Speisekarte. Altlettisches Hausgemachtes freilich werden Sie am ehesten in kleinen Pensionen, auf Bauernhöfen und in Privatquartieren kennen lernen. Fern der Hauptstadt fällt die gastronomische Vielfalt erheblich magerer aus. Dafür ist in der Provinz manches traditioneller geblieben. Wohl bekomms! Labu apetiti!
Lettlands „Manna“: cremiger, kalt servierter Weizenpudding
Eisbein mit Sauerkraut, unverkennbar eine Hinterlassenschaft deutscher Küchentradition und auch in Lettland sehr beliebt
Johanniskäse. Der mit Kümmel gewürzte Hüttenkäse wird nur zum Sonnenwendfest gegessen.
traditionelles süßes Mandelgebäck in Brezelform
würziger Honiglikör, mit Kümmel, Nelken und Ingwer verfeinert
lettisches Nationalgericht. Mit hart gekochten Eiern, Pilzpüree oder anderen kalorienreichen Überraschungen gefüllte Frikadellen. Dazu gibt's Kartoffeln, eine Bouillon und natürlich einen Klecks Sauerrahm oder Sahne.
Lettlands hochprozentiger schwarzer Kräuterlikör soll einst als Medizin erfunden worden sein
sieht aus wie ein kleiner Aal, ist aber ein Flussneunauge und eine baltische Delikatesse, grätenfrei und sehr schmackhaft. Wird auf viele Arten zubereitet
gebackene, gefüllte Teigtaschen, Russland lässt grüßen. Piroggen gibt's meist mit Hackfleisch, aber auch mit Pilzen, Fisch, Kartoffelpüree, gekochtem Ei, Kräuterquark oder Kohl gefüllt.
gekochte, mit saurer Sahne, mancherorts auch mit Milch verrührte Gerstengrütze. Dazu gibt es Kartoffeln und gern Fisch. Klassiker der lettischen Küche
Kartoffelsalat mit Roter Beete und Äpfeln
Lettlands berühmtes Speiseeis. Die mit Zimt, Nüssen, Blaubeeren, Honig, Karamell und Schokoladensauce veredelten Kreationen sind eine Welt für sich.
traditionelle baltische Pilzsuppe, gibt's in vielen Variationen
Sauerkrautsuppe mit Tomaten, Zwiebeln und Schinken