Slow Food – der Begriff ist den Korsen zu modisch, die Idee genau die ihre: Lokaler Anbau von heimischen Sorten, extensive Viehhaltung, handwerkliche Verarbeitung und Verkauf vor Ort, kurze Transportwege zu lokalen Abnehmern und immer mehr Bioanbau mit dem Gütesiegel AB (Agriculture Biologique) ist ihr Credo. Korsikas Bienen sammeln Nektar und Pollen in der weiten Macchia oder den verwilderten Edelkastanienhainen. Frei herumlaufende Schweine ernähren sich noch von Bucheckern, Eicheln und Edelkastanien; im späten Frühling ziehen Hirten mit ihren Herden in die Berge, im Herbst hinab zu den Weiden im Tal. Transhumanz und Authentizität statt Globalisierung und Gewinnmaximierung: Zwar stehen auch auf Korsika die Landwirte unter Druck, doch sie wehren sich, so gut sie können. Und finden Rückhalt bei den Einheimischen und den Gästen aus der Fremde.
Ursprünglich war die korsische Küche eine Arme-Leute-Küche, in der Gartenbau und Kleintierhaltung eine lebenswichtige Rolle spielten. Der Schinkenknochen für die leckere Gemüsesuppe soupe corse musste mehrmals in den Topf wandern, bis er auch sein letztes Aroma abgegeben hatte. Das heute fast schon als Luxusgut geltende Kastanienmehl (20–25 Euro/kg) war bis vor 50 Jahren ein Grundnahrungsmittel korsischer Familien, das so mancher in seiner Kindheit täglich serviert bekam. Die dörfliche Solidarität hat ebenfalls eine große Rolle gespielt. Selbst ärmere Familien kamen so gelegentlich in den Genuss von leckerem Schweinebraten oder jungen Zicklein.
Da nahezu alle Männer auf die Jagd gingen, wurde der Speisezettel stets um Wildspezialitäten, und besonders Wildschwein (sanglier) bereichert. Gewürzt wurden die Speisen mit dem, was Küchengarten und Macchia hergaben: Wildkräuter wie Minze, Katzenminze und Bergthymian gaben vielen Gerichten einen unverwechselbaren Geschmack. Aus wilden Früchten und Gartenobst entstanden Konfitüren und Liköre mit inseltypischen Geschmacksnoten wie Kastanie, Cedrat (Zitronatzitrone), Feige, Myrte, Baumerdbeere (arbouse) und Clementine.
Die Subsistenzwirtschaft ist Vergangenheit. Heute beweisen kleine, technisch top ausgestattete Betriebe, dass sich Tradition und Moderne in Qualität vereinigen können. So sind Käsereien entstanden, die die traditionellen Sorten handwerklich wie einst herstellen: runde Hartkäselaibe wie den Sartène, der 2,5 kg auf die Waage bringt und zum Aperitif aufgeschnitten wird. Die Milch der Ziegen wandert in den Chêvre, aus Schafsmilch fertigen die Korsen den Brébis, der im Alter härter und aromatischer wird. Nationalkäse der Korsen ist der Brocciu, frisch und mild auf der morgendlichen tartine, mittags im Omelette, abends in der pulenta – und zwischendurch im fiadone (Käsekuchen), in der falcullela (Zuckerküchlein) und beim „goûter“ mit Wein und Baguette. Seine authentische Herstellung garantiert die Herkunftsbezeichnung AOP (Appellation d’Origine Protégée).
Wer den Casgiu Merzu genießen möchte, sollte abgehärtet sein. Für den „verdorbenen Käse“ werden Käsereste samt Rinde in einen Tontopf getan. Bereits nach wenigen Tagen krabbeln dort Maden und verleihen dem Käse seine zweite Reife. Mit Trester übergossen, wird diese korsische Spezialität nur zu besonderen Anlässen serviert – samt springender Larven.
Lamm oder Rind werden auf Korsika nur für Fremde oder Festlandsfranzosen zubereitet. Zur charcuterie corse, die über Kastanienholz geräuchert wird, gehören neben einem gepfefferten Rollschinken aus Schweinenacken (coppa) und mild geräuchertem Schweinefilet (lonzu) auch Würstchen aus Schweinespeck, Leber und Innereien (figatelli). Der rohe Räucherschinken prisuttu wird im Sommer gerne zusammen mit frischen Feigen serviert. Wer picknicken möchte, findet die typisch korsischen Wurstwaren auf den Wochenmärkten sowie fast überall in den Metzgereien und Supermärkten.
An den Küsten prägen frischer Fisch aus lokalem Fang – nicht ganz billig – und Meerestiere wie Langusten, Muscheln und Seeigel die Karte. Die Lagunen der Ostküste liefern köstliche Austern. Stars der Küstenküche sind Goldbrasse (daurade), Rotbarbe (rouget) und Wolfsbarsch (loup). Eine Forelle (truite) genießt du frisch gefangen aus den Gebirgsbächen im Inland. Ein Klassiker ist die Fischsuppe (soupe de poisson). Sie wird mit geröstetem Weißbrot oder rouille-Paste, einer Olivenöl-Mayonnaise mit Knoblauch, Safran und Pfefferschoten sowie Streukäse gereicht.
Beginn das Essen mit Insel-Aperitifs wie dem „Cap Corse“ aus Muskatwein und „Quinquina“ (Chinarinde) oder dem „Cédratine“, einem Likör aus wilden Zitronen. Größeren Durst löschen süffiges Kastanienbier von Pietra oder Craft-Biere von der Mikrobrasserie Impériale. Von der Massenplörre zum Göttertrank hat sich der korsische Wein gewandelt. Ausgezeichnete Tropfen werden aus dem heimischen weißen Vermentinu und den beiden roten Sorten Niellucciu und Sciaccarellu. Welcher Wein am besten zum jeweiligen Essen passt, ist ein korsisches Lieblingsthema. Weiß zu Fisch, Rosé zu Meeresfrüchten, Rot zu Fleisch ist auch hier längst nicht mehr Gesetz. Das oft opulente Mahl beenden traditionell Verdauungsschlückchen (digestif) mit Myrtenschnaps. Wer es gerne süßer mag, sollte einmal Myrten- oder Kastanienlikör kosten.
Frankreich isst zu festen Zeiten: mittags von 12 bis 14.30, abends von 19 bis 21/21.30 Uhr. Wer nachmittags plötzlich Hungerattacken verspürt, kann nur auf einen „Croque Monsieur“ (Sandwich) im Café hoffen – oder greift im Supermarkt an der warmen Theke zum Convenience Food. Von mittags bis mitternachts verkaufen zudem mobile Händler Baguettes und Burger, Pizza und Pommes.
Frischkäse (gesprochen „brutsch“) wird auf jede Art verwendet: nature, also ohne alles, salzig, bspw. in canneloni au brocciu, in Ravioli, Omelettes oder in süßer Variante für Gebäck (fiadone, ambrucciata)
von Natur aus süß-aromatisch, sind geröstete Edelkastanien eine beliebte Schlemmerei im Herbst. Aus Kastanienmehl stellt man Kuchen, Eis, Likör und sogar Bier her. Die pulenda, ein gekochter Riesenkloß aus Kastanienmehl, der in Scheiben zu gebratenen Würstchen, Spiegeleiern und brocciu gereicht
Wildschweinpastete
kräftige Gemüsesuppe mit u. a. Mangold und gefleckten Borlotti- Bohnen
gefüllte Sardinen
herzhafte Teigtaschen, mit Mangold (blettes), Kürbis (courges) oder Zwiebeln (oignons) gefüllt
Ragout von jungem Lamm oder Zicklein mit Paprikaschoten
Gemüseeintopf mit Blutwurst, Speck und Rosinen
gekochtes Rinds-, Kalbs- oder Lammragout mit großen Nudeln Desserts
Weicher, saftiger Kuchen aus Esskastanien
Traditionsdessert aus Brot oder Grieß – früher wurde er sonntags aus dem Brot der vergangenen Woche hergestellt
Harte Mürbteigkekse, oft aromatisiert mit Mandeln oder Nüssen, Zitrone oder Anis
Eau-de-Vie und Weißwein gehören in die staubtrockenen Mürbteigquadrate aus der Balagne