Peperoncini und Zwiebelmarmelade, Thunfischeier und Zitroneneis: Kalabriens Küche steckt voll starker Aromen. Für die Italiener heißt alla calabrese schlichtweg scharf. Der peperoncino ist ein Hauptdarsteller in der kalabrischen Küche. Zum Trocknen aufgehängt, schmücken feuerrote Bündel die Fassaden. Olivenöl wird mit dem Chili aromatisiert, er würzt Salami und Pasta und verleiht der Wurst ’nduja ihr explosives Aroma.
Kalabrien ist ein Gebirgsland mitten im Meer. Das prägt die Vielfalt der Gerichte. Den Grundton geben die naturbelassenen Produkte einer jahrtausendealten Hirten-, Bauern- und Fischerkultur an. Albanische, byzantinische, spanische, ja orientalische Rezepte treffen sich zu einem spannenden, mediterranen Mix. In der waldreichsten Region Süditaliens bereichern auch funghi (Pilze) und cinghiali (Wildschweine) den Speisezettel. Pasta gehört fast jeden Tag auf den Teller, in verschiedenen Kombinationen, klassisch mit sugo, der Tomatensauce, oder mit Gemüse oder Hülsenfrüchten. Als secondo dann Fleisch oder Fisch – wichtig bleibt die Qualität und woher die Zutaten kommen, am liebsten a km zero, also aus der unmittelbaren Umgebung.
Bodenständige Trattorien im Landesinneren haben meist keine Karte – stattdessen vertrauen alle den Empfehlungen der mamma. Den Auftakt bilden lokale Käsesorten und luftgetrocknete Salami, dazu selbst sott’olio (in Olivenöl) eingelegte Gemüse und Pilze sowie marinierte Oliven und Holzofenbrot. Seit der Antike liebt man Hülsenfrüchte wie Saubohnen oder Kichererbsen, die nicht nur zu Suppen und Pürees verarbeitet, sondern auch zu hausgemachten Nudeln gegessen werden. Pastasaucen werden gern aus Lammfleisch mit Tomaten geköchelt. Eigentlich macht so ein primo piatto, ein erster (Nudel-)Gang, ja schon satt, wären da nicht die verführerischen secondi, die Hauptgerichte, die fast immer ohne contorni (Beilagen) serviert werden, wenn du sie nicht separat dazubestellst. Besonders gut schmecken Lamm und Zicklein, Sie werden als Festtagsbraten im Backofen gegart oder stundenlang im Tontopf geschmort. Kein Wunder, dass nach solch üppigen Schlemmereien meist nur frisches Obst gereicht wird.
Szenenwechsel ans Meer: Das feine Terrassenristorante stimmt seine Gäste mit einem verschwenderischen antipasto di mare ein: Salat von Tintenfischen mit Stangensellerie, geräucherter Thunfischbauch, frittierte Garnelen, bruschetta (Röstbrot), die mit dem „Kaviar des Südens“ bestrichen ist, einer Paste aus Babysardellen. Anschließend, wie könnte es anders sein, la pasta: Was hältst du beispielsweise von Spaghetti mit Schwertfisch und Minze oder mit Thunfischrogen und mollica (Bröseln)? Zum Hauptgang präsentiert der Padrone frische Fische zur Auswahl – der Tagesfang bestimmt das Angebot. Warum nicht selbst mit Hand anlegen und die Fischer beim Fang begleiten? Pescaturismo heißt dieses zeitgemäße Urlaubsvergnügen. Ein seltener Genuss sind Langusten oder Thunfisch, der scharf gegrillt und mit Olivenöl, Zitronensaft und Kräutern abgeschmeckt wird. Für eine schlichte frittura di paranza werden verschiedene Kleinfische in Öl ausgebacken.
Fast überall werden anständige, kräftige Bauernweine ausgeschenkt. Oft spielt der traditionell gekelterte Weiße ins Bernsteinfarbene. Leichtere Weißweine liefert das nahe Sizilien. Jahrzehntelang waren die körperreichen Roten von Cirò, dem größten der kalabrischen DOC-Anbaugebiete, als einzige über die Region hinaus präsent. Kellereien wie Librandi und die Fattoria San Francesco liefern auch bouquetreiche Rosés. Aufmerksamkeit verdienen außerdem die Cantine Lento und Statti aus Lamezia Terme und Odoardi aus Nocera Terinese. Als uralter und neuer Trend ist der biologische Weinbau auf dem Vormarsch. Ein Vorreiter ist Roberto Ceraudo mit seinem Gut Dattilo (dattilo.it) bei Marina di Strongoli, dessen Weine in der ersten Liga der Vini d’Italia mitspielen. Bioweine keltern auch die Brüder Greco aus Cariati in der Provinz Cosenza (igreco.eu). Als Ölproduzenten eilt ihnen schon lange ein ausgezeichneter Ruf voraus. Die generelle Tendenz heißt Klasse statt Masse. Während Rebflächen ausgeweitet werden, gingen zuletzt die Hektarerträge deutlich nach unten, ein untrügliches Zeichen für angestrebte Qualität.
Einfache Trattorien im Landesinneren stellen ungefragt einen Krug frisches Quellwasser auf den Tisch. Das Mineralwasser Mangiatorella kommt aus dem Naturpark der Serre bei Serra San Bruno. Gutes Wasser ist entscheidend für einen guten caffè, den Espresso, den die Einheimischen auch nach einem Essen im Restaurant am liebsten im Stehen an der Bar trinken. A proposito Kaffee: Unbedingt probieren solltest du auch eine Brasilena. Das koffeinhaltige Erfrischungsgetränk gibt es vor allem in den Bars der Provinz Catanzaro.
Ups, gelato wurde noch gar nicht erwähnt – und das in Italien! Eine Eisspezialität, die man im Sommer auch zum Frühstück löffelt, ist granita. Dieses erfrischende Sorbet aus zerstoßenen Eiskristallen gibt es in so ausgefallenen Geschmacksrichtungen wie Maulbeere, Bergamotte oder Mandeln. Letztere bilden auch die Grundlage vieler traditioneller Gebäcksorten.
Ein abschließendes Wort zu Preisen und Tischsitten: Frischer Fisch ist teurer als Fleisch und steht kaum unter 50 Euro pro Kilo auf der Karte, während du in einer Familientrattoria im Landesinneren bereits für unter 15 Euro aufs Beste satt wirst. Denk daran, dass auf der Rechnung auch das coperto (meist um 2 Euro) auftaucht: eine Pauschale für Gedeck und Brot. Nach dem Bezahlen erhältst du das Wechselgeld auf einem Teller zurück. Lass, wenn du zufrieden warst, fünf bis zehn Prozent als mancia (Trinkgeld) für den cameriere (Kellner) liegen! Das pranzo (Mittagessen) wird kaum vor 13, die cena (Abendessen) nie vor 20 Uhr serviert. Da das späte Abendessen meist sehr üppig ausfällt, sind Kalabresen beim Frühstück mit einer Tasse caffè oder Cappuccino und allenfalls einem cornetto, einem Croissant, zufrieden.
Platte mit u. a. caciocavallo (luftgereifter Kuhmilchkäse), ’nduja (Streichwurst mit peperoncino), soppressata (gepresster Salami), fior di latte (Kuhmilchmozzarella), polpette di melanzane (Auberginenbällchen), cipolle di Tropea (in Öl eingelegten roten Zwiebeln), zucchine grigliate (gegrillten, marinierten Zucchini)
Gegrillter Schafskäse
Marinierte Sardellen
Getrockneter, gesalzener Thunfischrogen
Kalabrische Nudelsorte mit Tomatensauce, ’nduja und Mozzarella
Hausgemachte Nudeln mit Steinpilzen und Bratwurstbrät
Breite Spaghetti mit Venusmuscheln
Kurze, dicke Nudeln mit roten Tropea- Zwiebeln
Gegrilltes Lamm
Zicklein aus dem Ofen
Geschmorte Innereien im Ringbrot
Gegrillter Schwertfisch
Gesalzener und luftgetrockneter Klippfisch (Kabeljau)
Zitronensorbet
Eisspezialität aus Pizzo in der Art einer Trüffelpraline
Im Ofen gedörrte Feigen