Schon mal vom Jerusalem-Syndrom gehört? Im zentralen Krankenhaus Jerusalems gibt es dafür sogar eine eigene Abteilung. Denn wer zu lange durch die Gassen der heiligen Stadt wandert, dem kann die Religiösität zu Kopf steigen.
Manch ein Pilger wird dann von Engelschören, Dämonen oder direkt dem Heiland selbst besucht.
Im Mittelalter brauchten Pilger über eine Woche, um von der Küste „hinauf nach Jerusalem“ (Yerushalayim, ca. 880 000 Ew.) zu gelangen. Heute dauert die Fahrt von Tel Aviv noch 40 Minuten. Durch die judäischen Berge geht es rund 800 m in die Höhe (hier können schon mal die Ohren knacken!) und 70 km ins Landesinnere.
Nirgendwo begegnen sich die drei monotheistischen Weltreligionen so nah wie in Jerusalem. Für die Juden baute König Salomon hier den Großen Tempel, für die Christen ist die Stadt aufs Engste mit dem Leben Jesu verbunden, für Muslime gehören Felsendom und Al-Aqsa-Moschee zu ihren heiligsten Stätten.
Durch eines der sieben Stadttore gelangst du in ein Gassengewirr, in dem du dich anfangs nur schwer zurechtfinden wirst. Dank kleiner Straßenschilder erreichst du aber auch ohne Stadtplan die Sehenswürdigkeiten.
Lass dir Zeit! Streif durch die Bazare, nimm einen Kaffee mit Kardamom oder einen schwarzen Tee mit Pfefferminze. Ob Bar-Mitzwa-Feier mit schriller Klarinette, Pilgergruppen mit gemieteten Holzkreuzen oder keuchende Muslime, die zu spät zum Gebet kommen – hier herrscht Reizüberflutung.
Kein Wunder, dass dieser Ort auch immer wieder umkämpft wurde und umzankt ist: 36 Mal wurde die Stadt von Kriegen heimgesucht, mehr als ein Dutzend Mal zerstört, und bis heute erheben Israelis und Palästinenser gleichermaßen Anspruch auf jenen Teil Jerusalems, der vor 1967 noch nicht zu Israel gehörte.
Nach dem Ende des Sechs-Tage-Kriegs besetzte Israel 1967 den Ostteil der Stadt und machte ganz Jerusalem zur Hauptstadt seines Staates. Die Vereinten Nationen erkannten diesen Schritt nie an. Deshalb befinden sich die Botschaften nahezu aller Staaten der Welt in Tel Aviv, fast aller: 2017 hat US-Präsident Donald Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt, 2018 ist die US-Botschaft dorthin gezogen.
Bislang sieht es nicht so aus, als würde in Jerusalem bald Ruhe einkehren. Auch in den letzten Jahren ging es immer wieder hoch her: Jüdische Eiferer wünschen sich ein Fahrverbot am Shabbat oder zelebrieren Gebetsfeiern neben der Al-Aqsa-Moschee, Palästinenser reagieren mit Protesten und Gewalt. Deswegen sieht man auch an keinem anderen Ort in Israel so viele bewaffnete Soldaten wie in der Altstadt Jerusalems.
Seit 1967 hat Israel die Stadtgrenzen einseitig erweitert und das Stadtgebiet von Jerusalem in Richtung Osten ausgedehnt. Selbstmordattentate und der Bau einer Mauer auf palästinensischem Territorium begleiten seitdem die „Israelisierung“ Ostjerusalems. Ein Ring jüdischer Wohnsiedlungen umgibt die Stadt, im besetzten Ostjerusalem leben heute schon fast so viele jüdische Israelis wie Palästinenser.
Könnte Jerusalem eine Stadt mit zwei Völkern werden? Der israelische Schriftsteller und ehemalige Knesset- Abgeordnete Uri Avnery wirbt ebenso wie der palästinensische Journalist Hanna Siniora seit Langem für diese Lösung, die die UN bereits 1947 mit einer „Internationalisierung“ Jerusalems im Auge hatten.
„Wünschet Jerusalem Glück!“, heißt es im 122. Psalm. „Es möge Frieden sein in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen! Um meiner Freunde und Brüder willen will ich dir Frieden wünschen.“
Einwohner | 780.200 | |
Fläche | 70 km² | |
Strom | 230 V, 50 Hz | |
Reisepass / Visum | notwendig | |
Ortszeit | 05:56 Uhr |