Die oberbayerische Küche ist von zwei starken Einflüssen geprägt: Der bäuerlichen Lebensart verdankt sie sowohl die Größe der Portionen als auch ihre oftmals recht derbe Schlichtheit. Auch die Lust am Fleischessen – insbesondere Schweinefleisch – wurzelt in der ländlichen Lebensweise. Das katholische Erbe hingegen schmeckt süß, es findet sich in der großen Vielfalt an Mehlspeisen zu Feiertagen und aus Klosterküchen. An Kirchweih im Oktober etwa gibt‘s im Wirtshaus resche Gans mit Blaukraut und Knödeln, danach gebackene Schmalznudeln.
Neben Semmel- und Kartoffelknödeln hat sich der Breznknödel eingebürgert. Auch aus Spinat, Bärlauch oder Rana (Roter Bete) wird er geformt, mit Sauce, Butter oder Käse garniert. Auf Hütten gibt es gern Kaspressknödel mit Speckstückchen, die in Brühe serviert werden. Knödel gibt’s auch als Dessert, gefüllt mit Zwetschgen, Aprikosen oder Topfen (Quark). Auch Apfelkücherl mit Zimt und Zucker oder die aus Hefeteig geformten und in Schmalz ausgebackenen „Auszognen“ finden sich auf den Speisekarten fast überall.
Die Nähe zum Mehlspeisenparadies Österreich macht sich durch ein breites Angebot an Strudeln bemerkbar. Ein bayerischer Klassiker, den es nur im Sommer gibt, ist der Zwetschgendatschi – mit einer Portion Sahne eine ziemlich gelungene Annäherung an das Paradies auf Erden.
Dank des Chiemsees wird im Chiemgau so viel Fisch gegessen wie sonst nirgends in Bayern. Forellen, Renken und Brachsen fangen die Fischer aus Prien, Chieming oder von der Fraueninsel, aus dem eiskalten Wasser des Königssees wird der Saibling gezogen. Bei der Zubereitung bleibt man klassisch: Die Fische werden gebraten, mit Kräutern und Butter- oder Zitronensauce serviert. Im Frühsommer gibt es viele Matjesgerichte mit Rahm und Apfel. Keinesfalls solltest du dir die Räucherfische entgehen lassen. Auf die Hand gibt es sie als Fischsemmel mit Zwiebel und Kren (Meerrettich).
Eine Besonderheit des bayerischen Speiseplans ist die Brotzeit, die zu jeder Stunde des Tages stattfinden kann: gleich nach dem Frühstück oder erst am späten Nachmittag. Das Wesen der Brotzeit liegt in ihrem Imbisscharakter. Schmankerl, wohlschmeckende Kleinigkeiten, können die viel geliebten Weißwürste sein, deren Verzehr sich aus Gründen der Tradition noch vor dem mittäglichen Zwölfuhrläuten empfiehlt. Auch Ochsenmaulsalat, Radi, Schnittlauchbrot, Wurstsalat, eine Breze mit Obatzda und eine dicke Scheibe Emmentaler gelten in Oberbayern als gute Gabe Gottes. Die Brotzeit schmeckt übrigens am besten an der frischen Luft. Dazu gehört tagsüber eine Schorle oder ein Weißbier, abends darf‘s eine Maß sein oder auch ein Radler. Während im Wirtsgarten bedient wird, ist der Biergarten eine bayerische Besonderheit: Hierher darf jeder seine eigene Brotzeit – zum Beispiel Räucherfisch – mitbringen. Nur Getränke müssen vom Wirt abgenommen werden. Wenn du auf der Bierbank oder den Holzstühlen unter Kastanien Platz genommen hast, wirst du merken, was die bayerische Küche erst wirklich einzigartig macht: ihr atmosphärisches Umfeld.
Gute Adressen für die bayerische Küche sind immer noch alteingesessene Dorfwirtschaften. Wo der Stammtisch voll besetzt ist, wo der Koch erst gar keine Experimente unternimmt, wo die Speisekarte sich überschaubar präsentiert, dort lernst du die regionalen Spezialitäten am besten kennen. Der Schweinsbraten beispielsweise ist ein Prüfstein für die Qualität der Küche: Von einer nicht zu mageren Sau muss er geschnitten sein (am besten aus der Schulter), saftig und von einer reschen, krachenden Kruste gekrönt.
Bayern hat seine eigenen Biergesetze, seine eigenen Bierspezialitäten und Trinksitten. Als typisch bayerisch gilt ein mildgehopftes helles Vollbier, das den zarten Malzgeschmack betont. Es hinterlässt deshalb einen eher süßen Eindruck. Dunkle Biere erleben vor allem bei Frauen eine Renaissance. Egal, ob dunkel oder hell – als Maß, also als ganzer Liter, kommt das Bier meist nur in Biergärten und bei Volksfesten auf den Tisch. Im Lokal werden stattdessen Halbe ausgeschenkt, also halbe Liter. Eine beliebte Bierspezialität ist das Weißbier – obergärig und spritzig, hefetrüb oder kristallklar, passt es wunderbar zum Frühschoppen. Junge Brauer versuchen sich derzeit an Craft Beer, das zwar bei Traditionalisten nur Kopfschütteln auslöst, bei der U30-Generation aber dank klangvoller Pale- Ale-Namen Beachtung findet.
Und nicht nur das Bier wird gebraut: Kaffeeröstereien boomen in Oberbayern. Ob in Wasserburg, Rosenheim oder Prien: Neben Cappuccino sind Filterkaffee und „Slow Drip“ (der Kaffee rinnt am Tisch durch den Glasoder Goldfilter) gefragt, die besonders säurearm sind. Im ältesten Haus Priens gibt es bei Montebera hausgemachte Röstungen wie „Gipfelstürmer“, „Wilderer-Mischung“ oder die milde „Chiemsee-Komposition“.
Im Chiemgau setzt sich immer mehr auch die vegetarische Küche durch. Sterneköche achten längst darauf, alte Getreide- und Gemüsesorten in ihren Menüs zu verwenden. Fast überall gibt es ein vegetarisches Gericht – und es ist nicht mehr wie früher der Beilagensalat. Gemüseknödel, Kasspatzn, Zucchininudeln, Spinatstrudel oder Rahmpilze mit Knödel sind Standard.
Fleischbrühe mit Nocken aus Grieß, Ei und Butter
In Salzlake eingelegte junge Renke, mit Zwiebeln, Apfel und Schmand kalt serviert
Schweineschmalz auf kümmeligem Bauernbrot
Im Ganzen gebraten, mit Kartoffeln und Gemüse
Rinderschmorbraten, eingelegt in Rotwein und Gewürzen
Klassischer Schweinsbraten mit knuspriger Kruste, serviert mit Kartoffelknödeln und Krautsalat
Schmalzgebäck aus Hefe mit weichem Rand
Blechkuchen, dick mit Zwetschgen belegt
Hefebuchtel mit Fruchtfüllung, mit Vanillesauce übergossen
Forelle oder Renke, am Stock über Holzkohle gegrillt
Hauchdünn aufgeschnittener, gesalzener Rettich
Traditioneller Aufstrich zur Brezn aus Camembert, Butter, Zwiebeln, Paprika und einem Schuss Bier