Die Zubereitungsmethoden und Genussrituale der Region sind weitaus vielfältiger als die Landschaft. Was daran liegt, dass es rings um den Bodensee Schweizer, Vorarlberger, bayerische, badische und württembergische Feinschmeckertraditionen gibt – eine sehr abwechslungsreiche Gaumensafari. Nachvollziehen lässt sich das Gourmetniveau in der einschlägigen Literatur, die die Region mit Hauben, Sternen, Kochlöffeln und sonstigen publizistischen Küchenwerkzeugen regelrecht zuschmeißt. Doch keine Angst: Die Promenaden sind nicht nur mit Sterneküchen garniert. Vielmehr geht es um eine große allgemeine Koch- und Genusslust, die von Gourmettempel bis Wurstbude reicht.
Das hat unter anderem historische Gründe. Die Römer brachten die Lebensart und den Wein, der hier ausgezeichnet wächst. Bevorzugt Spät-, Weiß- und Grauburgunder, gerne aber auch die Züchtung des Herrn Müller aus dem Thurgau, der ja eben- falls ran an den See reicht.
Bereits im frühen Mittelalter kultivierten zum Beispiel die Benediktiner auf der Reichenau Würz- und Heilkräuter. Der zuständige und durch seine Gartenbücher unsterblich gewordene Abt hieß Strabo – vor dem Münster auf der Insel wurde ein Garten angelegt, der an sein herbarisches Wirken erinnert. Bis heute eifern die Reichenauer ihm nach und bauen unter anderem Salat, Gurken, Tomaten und ebenfalls Kräuter an. Dem bedeutenden Klosterwirken wird man mit dem Wort „Salatinsel“ allerdings nicht gerecht. Egal: Die See-Herkunft reicht schon aus, um Qualität zu besiegeln.
Auch im Fall der „Höri-Bülle“, einer Zwiebel von der gleichnamigen Halbinsel, die unter Artenschutz steht. Für die besondere Qualität sind Bauern verantwortlich, die es glücklicherweise schwer haben, auf ihren Feldern und Weiden rund um den See im großen Stil mit Chemikalien zu hantieren. Am Ende landet nämlich alles im See, dessen Wasser Trinkqualität haben muss. Verschmutzung wird da ruckzuck nachgewiesen und dem Bauern zum Verhängnis.
Diese Reinheit wirkt sich jedoch nicht nur super auf die Fischbestände aus. Seit Jahren führen unter anderem Fischer, Köche und Gewässerkontrolleure eine heftige Debatte darüber, was Mensch und Klima aus dem See machen. Zusammengefasst: Er wird wärmer sowie algen- und nährstoffärmer, weswegen die Fangerträge sinken. Es kann also nicht schaden, sich kritisch mit dem Thema zu befassen. Zahlreiche Fischer sind durchaus ansprechbar und publikumsfreundlich, ein Ausflug mit ihnen oder das Gespräch in einem ihrer Geschäfte über die Fischtheke hinweg tragen zur Meinungsbildung bei.
Nicht zuletzt entdeckst du dort aber auch, dass es nach wie vor köstlichen Fisch im Bodensee gibt. Und er zählt natürlich zu den ganz großen Seespezialitäten. Der beste ist der Kretzer – probier ihn unbedingt! Allerdings herrscht bei diesem Bodenseefisch eine heillose Namensverwirrung. Auf Hochdeutsch handelt es sich um den Flussbarsch (Perca fluviatilis), Kretzer ist die alemannische Bezeichnung. In der Schweiz heißt nur der ganze Fisch Kretzer, während die ausgelösten Filets Egli genannt werden. Um das Durcheinander zu komplettieren, wird auch auf deutscher Seite der Begriff Egli verwendet und zwar – man ahnt es schon – für den ganzen Fisch.
Hinter Flossenträgern stehen die „Weidefrüchte“ etwas hintan. Dabei haben Fleisch und Wurst hier ebenfalls Vergangenheit. In Vorarlberg isst man ein gutes Schnitzel, am deutschen Seeufer findet immer mehr Qualitätsfleisch aus Württemberg oder dem Allgäu Verbreitung. Die Schweizer haben zum Beispiel eine gute Bratwurst oder den St. Galler Stumpen, eine Art Cervelatwurst.
Derlei macht durstig! Legendär sind der Wein und die dazugehörigen Stuben, am See keltern in Deutschlands südlichstem Anbaugebiet Winzer von Weltruf. Rund um Tettnang und neuerdings auch auf der Reichenau gedeiht der Hopfen und lässt die Bierfans (vor Freude) hüpfen, auch immer mehr Craft-Beer erobert die Region. Doch die Seebewohner können auch alkoholfrei, besonders gut sind Limonade und Saft, die Streuobstwiesenkultur hat auch eine köstlich-flüssige Seite. Wo wir gerade bei Bäumen sind: In Radolfzell züchten und versenden zwei Pioniere „Trüffelbäume“: Ihre Gewächse sind mit Trüffelsporen und -geflecht versehen und können auch für den eigenen Garten gekauft werden (deutsche-trüffelbaeume.de).
Auch kulinarische Überlieferungen spielen entlang des Ufers eine immer größere Rolle. Das spiegelt sich nicht nur in einer zünftigen Wirtshaustradition und der Renaissance von Vesper, Brotzeit und Znüni (so sagen die Schweizer und Vorarlberger) wieder, sondern auch im verantwortungsbewussten Umgang mit Zutaten. Gastronomen und Produzenten gründen Vereinigungen, die verlässliche Qualität garantieren, wie „Gutes vom See“ (gutes-vom-see.com), „Schmeck den Süden“ (schmeck-den-sueden.de), „Südland- Köche“ (dieredaktion.net) oder „LandZunge“ (landzunge.info). Und geschrieben wird auch darüber. Die meisten der oben Genannten bringen eigene Zeitschriften heraus, das Gastroheft „Seezunge“ (seezunge.de, erhältlich unter labard-shop.de) stellt Restaurants und Erzeuger vor.
Luftgetrocknetes Rind- oder Pferdefleisch, hauchdünn aufgeschnitten
von der Reichenau
Kleine frittierte Fischfilets. Dazu: Salat von der Reichenau
Rahmige Suppe aus frischem Apfelmost
Geriebene Kartoffeln, kross aus der Pfanne
Ofenwarm, dazu ein, zwei Gläser junger Most
Die badische Version der Pizza, belegt mit Sauerrahm, Speck und Zwiebeln
mit Bergkäse und rohen Zwiebelringen
Fangfrisch, mit Bratkartoffeln
Kross ausgebackener Flussbarsch, dazu Butterkartoffeln
Junges Hähnchen, knusprig „im Körbli“ serviert, dazu Pommes frites
aus dem Allgäu, dazu Käsespätzle
mit Wein, Zwiebeln und Tomatenmark. Dazu: Bratkartoffeln
mit Vorarlberger Bergkäse überbacken
Warm, gefüllt mit Äpfeln
Warm, im Bierteig
Lebkuchen mit Marzipanfüllung
Mit Eierrahm überbackener Obstkuchen