Das Kleinwalsertal spielt als funktionale Enklave – ein Stück Österreich, das nur über Deutschland erreichbar ist – schon immer eine Sonderrolle. In Zeiten von Corona kommt dem noch einmal besondere Bedeutung zu: Hier ist Wellness längst wieder möglich. Ein Grund mehr, ins Kleinwalsertal zu fahren, finden wir.
Exotikum Kleinwalsertal
Streng genommen gehört das Kleinwalsertal gar nicht mehr zum Allgäu. Aber weil es nur aus dem Allgäu erreichbar ist und seine Berge ebenfalls „Allgäuer Alpen“ heißen, wird es von vielen kurzerhand "eingemeindet". Daran zeigt sich schon, dass es in vielen Belangen nicht so einfach ist mit dem Kleinwalsertal, das bekannt dafür ist, zwischen deutschen und österreichischen Stühlen zu stehen. Vor dem Beitritt Österreichs zur EU gab es noch zwei Poststempel: Für Briefe innerhalb Österreichs wurde mit österreichischen Marken frankiert, für Post nach Deutschland gab es die deutschen Entsprechungen. Auch bei den Postleitzahlen verhielt es sich ähnlich: Jeder Ort im Kleinwalsertal besaß eine deutsche und eine österreichische. Weiteres Kuriosum: Bis heute darf die Polizei im Kleinwalsertal festgenommene deutsche Verbrecher nicht über Deutschland nach Vorarlberg zum Gericht bringen. Sie müssen mit dem Polizeihubschrauber des Innenministeriums ausgeflogen werden.
Das alles würde uns als Besucher aber nicht weiter kümmern, wäre da nicht gerade eine weitere Besonderheit, die uns magisch anzieht: Da hier österreichische Gesetze gelten, sind die Wellness-Bereiche in den Hotels wieder geöffnet. Und zwar inklusive Sauna. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen.
Allgäuer Berggenuss
Doch Wellness würde nicht halb so viel Spaß machen, hätte man sie sich nicht vorher „verdient“. Dafür gibt es im Kleinwalsertal mehr als genug Optionen. Die offensichtlichste ist die beeindruckende Bergwelt, die das Tal hoch aufragend umrahmt und den Besucher zwingt, für einen orientierenden Überblick hinaufzusteigen. Was natürlich auch mit Lifthilfe möglich ist und eine umfassende Rundumsicht beschert, die die gesamte Vielfalt des Allgäus vor Augen führt: zackige alpine Spitzen im Süden, liebliche Hügellandschaft im Norden, dazwischen die fürs Allgäu typischen steilen Grasberge, deren vermeintliche Harmlosigkeit bei einer Besteigung nicht unterschätzt werden sollte.
Sehr empfehlenswert ist eine Gratwanderung über die Ochsenhofer Köpfe, die auch mit trittsicheren und bergerfahrenen Kindern machbar ist. Gestartet wird an der Bergstation der Walmedinger-Horn-Bahn. Der schmale, grasige, zuweilen auch felsige Pfad schlängelt sich in leichtem Auf und Ab am Grat entlang, durch ein Meer an Alpenrosen und großglockigem Enzian hindurch. Der Weg ist nirgends wirklich ausgesetzt und doch spannend und abwechslungsreich, was nicht zuletzt am grandiosen Panorama liegt, das auf ein paar Zwischengipfeln 360 Grad erreicht und bis in den frühen Sommer hinein auf schneebedeckte Hochalpen blicken lässt. Richtung Norden bietet der Hohe Ifen seine volle Breitseite – ein unverkennbarer Felsriegel, der vielen vom Skifahren bekannt ist.
Von der Scharte hinunter ins Tal bietet sich zur Einkehr die Genusshütte Alpe Stierhof an, die regionale Brotzeit sowie Kaffee und Kuchen anbietet und zu den wenigen noch verbliebenen authentischen Almhütten gehört. Wer zur blühenden Jahreszeit unterwegs ist, erfreut sich beim Abstieg nach Baad an einer Blumenfülle aus rosa Schafgarbe, Trollblume, Teufelskralle, Hahnenfuß und vielen mehr. Mit Liftunterstützung ist die Tour in einem halben Tag machbar.
Eine weitere beliebte Rundwanderung ist die um den Widderstein – das massige Felsmassiv, das im Kleinwalsertal alle Blicke auf sich zieht (ca. 15 km, 900 Hm).
Travel Charme Ifen Hotel
Das einzige Fünf-Sterne-Hotel im Kleinwalsertal hat nicht nur Luxus und kulinarische Genüsse zu bieten, sondern auch eine spannende Geschichte, die die Tradition des Hauses beleuchtet: 1936 vom Architekten Hans Kirchhoff errichtet und betrieben, erfreute es sich sofort großer Beliebtheit bei Politikern und (Geld-)Adel. Eine deutliche Zäsur erfolgte 1943, als das Haus von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurde und die folgenden Jahre als „Ehrengefängnis“ für hochrangige Persönlichkeiten diente. Nach dem Krieg kehrte es schnell zu alten Glanzzeiten zurück und erkochte unter Küchenchef Ortwin Adam 1978 den ersten Michelin-Stern für Österreich. Heute ist eines der drei Restaurants, die Kilian Stuba, ebenfalls mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet – unter der gastronomischen Führung von Adams ehemaligem Schüler Sascha Kemmerer. (Zwei der Restaurants – das Carnozet mit Fokus auf regionaler Küche und die Hauben-verwöhnte Kilian Stuba – stehen übrigens auch externen Gäste für einen Besuch offen.) Seit rund zehn Jahren gehört das Ifen Hotel zur Travel Charme Gruppe, die den historischen Rundbau erneuern und um einen modernen Anbau erweitern ließ.
Zum Genuss ganz anderer Sinne trägt der 2300 qm große Wellness-Bereich bei. Ob drinnen im Pool oder draußen im Whirlpool – im Zentrum steht beim Schwimmen das Bergpanorama, das seine Wirkung hier doppelt entfalten kann. Und das Beste: Die Saunen sind hier in Österreich bereits geöffnet und können unter den üblichen Sicherheitsvorkehrungen wieder genutzt werden. Sanftes Sanarium, finnische Sauna oder Außensauna in einer Hütte laden zu einem Aufguss ein. Die unkomplizierte und entspannte Atmosphäre ist im ganzen Haus zu spüren und auch Programm. „Die Gäste sollen sich ja entspannen im Urlaub. Das funktioniert nicht, wenn alles steif ist“, erläutert Katrin Hosbein, die zusammen mit ihrem Mann das Hotel leitet.
DZ mit Frühstück: ab 109 Euro/Person (3/4-Pension + 45 Euro)
ab 2 Übernachtungen: Allgäu-Walser-Card (Busse und Bergbahnen inklusive)
mehr Infos unter: www.travelcharme.com/hotels/ifen-hotel
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von Solveig Michelsen
Die Reportage wurde zum Teil unterstützt vom Travel Charme Hotel Ifen.