Das Gesäuse hat seinen klingenden Namen vom Sausen und Brausen der wilden Enns am Gesäuseeingang. Auch die Salza mit der längsten unverbauten Wildwasserstrecke Österreichs bietet Natur in Reinform: grün bis türkis, wild und kraftvoll. Beim Raften, Kanu- und Kajakfahren, beim Canyoning und auch beim Fliegenfischen entdeckt man hier eines der letzten Geheimnisse der Alpen.
Es gibt eine Menge schöner Plätze in den Alpen, gewiss, aber genau darin liegt oft auch die Tragik: Sie sind vielen bekannt, man muss sie folglich mit etlichen Mit-Begeisterten teilen. Ab einer gewissen Menge schmälert dies das Naturerlebnis enorm. So ergeht es dem Wassersportler etwa in Slowenien an der berühmten Soça: Im Pulk fährt sich auch das türkiseste Wasser der Alpen mit gedämpftem Hurra. Doch die gute Nachricht ist: Noch gibt es sie, die stillen Plätzchen – zwar keine Geheimtipps mehr, aber mit ausreichend Raum für den Zauber, den die Natur entfalten kann, wenn sie nicht allzu sehr bedrängt wird. Rücken wir näher: Auf treten Salza und Enns, zwei unschlagbare Protagonisten für etliche Wassersportarten, geschmückt von gewaltigen Felsen. Das Gesäuse gibt Kraft, heißt es. Hier spürt man sie vibrieren.
Kajakfahren
An den beiden Hauptflüssen Salza und Enns finden Paddler aller Könnerstufen ein vielfältiges Betätigungsfeld. Blutigen Anfängern sei zunächst ein „Basecamp“ empfohlen: Dieses vermittelt innerhalb von drei Tagen jeweils die Grundzüge einer Sportart, sodass sie im Anschluss eigenständig(er) ausgeübt werden kann. Im Gesäuse gibt es im Sommer die Camps fürs Kajak- und Kanufahren, Fliegenfischen, Wandern, Klettersteiggehen und Alpinklettern.
Wer sich Wildwasser I-II zutraut, kann schon längere Flussabschnitte alleine befahren, sollte sich aber im Vorfeld gut über die möglichen Ein- und Ausstiegsstellen und die zu erwartenden Schwierigkeiten informieren. Vielerorts können schwere Einzelstellen auch umtragen werden.
Kanufahren
Das Basecamp Kanufahren dauert sogar nur zwei Tage, bevor man die frisch gebackenen Kanuten auf die steirischen Wildflüsse loslässt. Danach hat man die Qual der Wahl: Nimmt man die smaragdfarbene Salza, die in der so genannten „Langen Gasse“ durch eine malerische Konglomeratschlucht führt? Oder doch lieber die etwas wildere Enns, die mal ganz zahm, dann wieder wild brausend durchs Gesäuse zischt? Für landschaftliche und fahrtechnische Abwechslung ist auf jeden Fall gesorgt.
Raften
Wer nicht so gerne allein im Boot sitzt, entscheidet sich für das Raften. Es gehört zu den beliebtesten Aktivitäten auf den Wassern des Gesäuses und nährt dementsprechend viele Anbieter. Zur eigenen Sicherheit sollte darauf geachtet werden, dass das Unternehmen der eigenen Wahl nur geprüfte Guides beschäftigt.
Ganz entgegen seinem Ruf eignet sich ein Rafting-Tag übrigens nicht nur für einen Männerausflug oder ein Firmenevent: Bereits Kinder ab sechs Jahren dürfen auf bestimmten Strecken mit ins Boot, sodass die ganze Familie etwas davon hat.
Canyoning
Noch adrenalingeschwängerter und etwas ernster sind Canyoning-Touren, die das Gesäuse rutschend, springend, schwimmend und abseilend erforschen. Im Geopark Steirische Eisenwurzen bietet sich die Erbschlucht für erste Canyoning-Abenteuer an: Die idyllische Schlucht hat auf 200 Höhenmetern viele Rutsch- und eine Abseilstelle durch einen Wasserfall zu bieten. Mehr Sprünge und Schwimmstrecken gibt es in der Taglesschlucht, die allerdings auch wesentlich wettersensitiver ist.
Alle oben genannten Wassersportarten kann man übrigens im Raftingcamp Palfau erlernen, die zu den Anbietern der ersten Stunde gehören und überdies stimmungsvolle und familiäre Unterkünfte bieten. Bereits 1897 schrieb der Gebietskenner Ferdinand Krauss über das Örtchen: „Die schöne Lage Palfaus, an der Kreuzung von drei prächtigen Gebirgsthälern und am Fuße aussichtsreicher Berge (…), lassen dieses Gebirgsdorf zur Sommerfrische für Jene geeignet erscheinen, die abseits vom Wege einen stillen Erdenwinkel suchen, um sich ganz dem Genusse einer noch vollkommen unverkünstelt gebliebenen Gebirgswelt zu widmen.“ Das kann man immer noch so unterschreiben.
Fliegenfischen
Ein thematisch einzigartiges Basecamp ist das Fliegenfischen. Nur rund 20 Leute pro Jahr gelangen auf die exklusive Teilnehmerliste der Veranstaltung. Was wird geboten? Eine Menge Äschen, Bach- und Regenbogenforellen sowie Huchen. Äschen und Forellen erreichen im Gesäuse kapitale Größen von bis zu zehn Kilogramm bzw. 60 Zentimetern. Ideale Gebiete für diesen Sport sind das Fischgebiet Krippau zwischen Altenmarkt und Großreifling sowie das Fischereigebiet Johnsbach. Ach ja, und das Fliegenfischen hat namhafte Tradition: Schon Ernest Hemingway schwang hier angeblich die Rute!
Flussuferläufer, Frosch und Forelle
Das größte Kapital des Gesäuses ist seine wilde Natur, nicht nur innerhalb der Nationalparkgrenzen. Damit diese auch weiterhin so bewundernswert bleibt, sollte man als Wassersportler daran denken, dass auf Kies- und Schotterbänken Tiere leben – auch wenn man sie nicht immer zu Gesicht bekommt. Aufmerksamen Paddlern begegnet vielleicht der Flussuferläufer, eine seltene Schnepfenart, die auf den Kiesbänken brütet – oder das Paddel taucht neben einem Frosch ein, der sich gerade treiben lässt. Das Nördliche Riesenauge, eine ganz spezielle Weberknechtart, ist selbst mit Riesenaugen nur schwer zu entdecken. Und unterhalb des türkisen bis grünen Wasserspiegels gibt es ebenfalls eine Menge zu erforschen. Aber egal, ob im Trockenen oder Nassen – den Besuchern kann man es getrost versprechen: „Jeder findet sein eigenes Gesäuse.“ Wahr ist's.
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von Solveig Michelsen
Diese Recherchereise wurde zum Teil unterstützt vom Tourismusverband Gesäuse (http://www.gesaeuse.at) und dem Steiermark Tourismus (http://www.steiermark.com).