Die UNESCO Cities of Design sind weltweit bedeutende Städte, die sich durch eine vielfältige und lebendige Kreativszene im Bereich Design hervorgetan haben. Durch Aufnahme in das Programm „Creative Cities“, das neben dem Bereich Design noch sechs weitere Sparten umfasst – Musik, Film, Gastronomie, Medienkunst, Handwerk und Literatur –, verpflichten sich diese Städte, ihr kreatives Potenzial nachhaltig und nah am Menschen umzusetzen – als Vorbild und Vision für viele weiteren Städte.
Das UNESCO-Programm schreibt sich Großes auf die Fahnen: Die Cities of Design sollen als Modell fungieren für viele weitere Städte, die unter Kreativität mehr als nur die „Behübschung“ der Oberfläche verstehen. Design soll auch die Bedürfnisse der dort wohnenden Menschen berücksichtigen, ihre Wünsche und Träume miteinbeziehen und im besten Fall Motor für eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung sein. Das Spannende: Nicht allen der derzeit 16 Städte sieht man dieses Potenzial an. Es lohnt sich also, bei einigen genauer hinzusehen!
Berlin, Deutschland: Gerade nach der Wende ist das experimentelle Klima der deutschen Hauptstadt geradezu explodiert: Günstige Mieten, außergewöhnlicher Flair und eine Aufbruchstimmung lockten Kreative aus aller Welt an, die künstlerische Zentren und Netzwerke wie Pilze aus dem Boden schießen ließen. 2006 erhielt Berlin dafür als bisher einzige deutsche Stadt den Titel „City of Design“.
Bilbao, Spanien: Von der grauen und schmutzigen Industriestadt zur offenen und dynamischen Metropole – Bilbao hat einen großen Wandel durchgemacht. Beeindruckend sind die unterschiedlichsten architektonischen Stile, die nicht nur optisch, sondern auch praktisch die Lebensqualität der Bewohner erhöhen. Schmucke Gebäude aus dem 19. Jahrhundert werden kontrastiert vom bombastischen Guggenheim-Museum von Frank O. Ghery; die Zubizuri (Weiße Brücke) erleichtert das Leben auf ansprechende Weise ebenso wie die Design-Metro von Norman Foster.
Buenos Aires, Argentinien: Die drittgrößte Stadt Lateinamerikas wurde als Erste 2005 mit dem UNESCO-Titel ausgezeichnet. Vier Prozent aller Arbeitsplätze sind Design-Jobs, und die unterschiedlichsten Strömungen – die 1950er-Bewegung, das Contemporary Design und die Youngsters – sind allüberall spür- und sichtbar. Auch regelmäßige Veranstaltungen wie der Design Month belegen die starke und gewachsene Bindung zum Thema Design.
Curitiba, Brasilien: Noch nie davon gehört? Die Stadt in Brasilien hat 1,8 Millionen Einwohner und zahlreiche Kulturschätze zu bieten. Curitiba hat früh erkannt, welch positive Wirkung man durch die Förderung von Design erzielen kann und gilt heute als eine der lebenswertesten Städte Brasiliens. Ein lebendiges und attraktives Stadtleben, das den Bürger in den Mittelpunkt stellt und sich mit der Umwelt vereinbaren lässt, ist ihr ein großes Anliegen.
Dundee, Schottland: Dundee mit seinen knapp 150.000 Einwohnern fällt hier völlig aus der Reihe. Auch die Gründe für die Ernennung zur „City of Design“ sind ganz unterschiedlicher Natur: Anerkannt wurden unter anderem Innovationen in den Bereichen Comic (Beano und Dandy), Videospiele (Lemmings und Grand Theft Auto), Orangenmarmelade (!) und der medizinischen Forschung (Aspirin und Krebsmedikamente). Die Designszene ist aber auch anderweitig sehr aktiv und gut vernetzt. Vom Urban Gardening über Design-Kollektiven bis hin zur kreativen Stadtplanung lässt die verhältnismäßig kleine Stadt hier aufhorchen.
Graz, Österreich: Die Auszeichnung für Design in allen Lebensbereichen ist auch als Aufforderung zu verstehen. Graz möchte sich nicht mit dem UNESCO-Etikett schmücken, ohne die gelebte Haltung zu demonstrieren, die in einer aktiven urbanen Kultur sichtbar wird. Ob Gestaltung öffentlicher Plätze, humorvolle Schilder, innovative Architektur, Upcycling oder Lebensmittel-Design – Graz hat eine breite Palette für Anwohner und Besucher zu bieten.
Helsinki, Finnland: Auch Helsinki versteht Design nicht nur als etwas Optisches, sondern als Möglichkeit, eine Stadt noch zugänglicher und erfreulicher zu machen. Sie setzt deshalb auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Designer und Stadtplaner. Trotzdem: Auch fürs Auge ist so viel geboten, dass sich eine Städtereise allemal lohnt. Und nicht zu vergessen: für den Gaumen!
Kobe, Japan: Kobe, in etwa so groß wie München, wurde 1995 von einem verheerenden Erdbeben erschüttert. Im Anschluss daran begann man, die Stadt wieder neu aufzubauen – moderner und attraktiver. Auch wenn der Name der Stadt eher mit Rindfleisch verbunden wird, ist sie innerhalb Japans vor allem für ihre Erfolge in Sachen Mode bekannt. Im Kobe Fashion Museum lässt sich dies ansprechend nachvollziehen.
Montréal, Kanada: Montréal ist eine Multi-Kulti-Stadt, die aufgrund ihrer Immigrationsgeschichte von vielerlei Einflüssen profitiert hat. Ihr Fokus liegt auf der Innenarchitektur, was beim „International Fair of Interior Design“ deutlich wird. Aber auch Mode und Grafikdesign wird groß geschrieben. Vier Universitäten bieten Ausbildungen in den Bereichen Design, Architektur und Stadtplanung.
Nagoya, Japan: Mit Nagoya hat sich gleich eine zweite japanische Hafenstadt den Titel „City of Design“ gesichert. Design-Events, Design-Wettbewerbe und internationale Workshops streben danach, die Bedeutung von Design über seine strikte Definition hinaus zu erweitern – hin zu sozialer Interaktion und der Vermischung unterschiedlicher Kulturen und Disziplinen.
Peking, China: Einst Mittelpunkt einer Weltkultur, stellt Peking (oder Beijing) heute immer noch das kulturelle Zentrum Chinas dar. Mehr als 800 Unternehmen im Bereich Design bieten eine fruchtbare Umgebung für kreative Köpfe, die es in die Millionen-Metropole zieht. Highlight ist unter anderem die jährliche Design Week, die einen internationalen Austausch fördert.
Saint-Etienne, Frankreich: Die alteingesessene Saint-Etienne Higher School of Art and Design (gegründet 1803!) und der noch junge Erfolg der Biennale Saint-Etienne International Design tragen beide zum Ruf der Stadt als Design City bei. Besondere Anliegen von Saint-Etienne sind der Erfindergeist und die soziale Funktion von Design, zum Beispiel bei der Gestaltung und Nutzung öffentlicher Plätze.
Seoul, Südkorea: Großzügig unterstützt von der Regierung wird in Koreas Hauptstadt das industrielle Design. Technologische Entwicklungen werden mit den höchsten Design-Standards verknüpft, und die Lebensqualität in der Stadt ist ihnen ein großes Anliegen. Auch der Studentenaustausch wird aktiv gefördert, um neue und kreative Ideen zu generieren.
Shanghai, China: Shanghai ist eine Stadt der Widersprüche: Mit rund 23 Millionen Einwohnern ist sie ein Koloss, der aber aufgrund der wirtschaftlichen Attraktivität ungebremste Anziehungskraft ausübt – und damit die größten „Creative Clusters“ weltweit vorweisen kann. Trotz der unterschiedlichen Größe steht sie in regem Design-Austausch mit dem österreichischen Graz.
Shenzhen, China: China ist das einzige Land, das gleich drei Cities of Design vorzuweisen hat. Das gerade mal etwas über 35 Jahre alte Shenzhen wurde einst am Reißbrett geplant und gehört heute zu den am schnellsten wachsenden Städten der Welt. Bereits 2003 hat die Stadt vier kulturelle Hauptziele formuliert: Ihre Streben zur "Library City," zur "Piano City," zur "City of Design" und zur "Cartoon Animation Base." Im „Creative December“ werden jedes Jahr Kreativ-Wettbewerbe unter der Bevölkerung abgehalten.
Turin, Italien: Turin ist schon lange nicht mehr nur „Autostadt“. Aus der stark industriell geprägten Vergangenheit ist aber eine Menge Wissen über Produktionsprozesse und Design erhalten geblieben und kommt nun neuen Zielen zugute. Besonderes Anliegen der Stadt ist es, die Jugend zu fördern – zum Beispiel mit Online-Design-Wettbewerben.
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von Solveig Michelsen