Bayerns Ruf ist in der ganzen Welt bekannt – und von zahlreichen Klischees geprägt. Oktoberfest und Tracht sind Exportschlager, Schloss Neuschwanstein und die Königsschlösser auf der ganzen Welt bekannt. Doch woher rührt dieser Nimbus Bayerns, der zuweilen größer als das Land selbst zu sein scheint? Die diesjährige bayerische Landesausstellung versucht hierauf Antworten zu geben: Was ist echt, was nur Stereotyp? Was kommt von innen heraus und was von außen? Danach darf jeder Besucher selbst entscheiden: Wie wahr ist er, der Mythos? Und beinhaltet er eine Reduktion auf das Wesentliche oder ist er nur schändliche Verknappung?
Der Wald bildet in der Ausstellung den historischen und bildlichen Startpunkt, aus dem heraus sich nach und nach alle heutigen bayerischen Stereotypen entfalten konnten. Ursprünglich reine (Holz-)Nutzfläche und mit großen Gefahren verbunden (sogar im Jahr 2017 kamen noch 25 Menschen bei der Waldarbeit ums Leben!), eignete ihn sich die Menschen sukzessiv als Lebensraum an. Nicht nur das Kloster Ettal, auf dessen Grund die Ausstellung Heimat gefunden hat, wurde angeblich an einer Stelle wilden Waldes im Jahr 1330 errichtet. Auch die Königsschlösser Ludwigs II., des Märchenkönigs, projizierten romantische Träume in eine unberührte Landschaft. Dazu gehörte auch das Gebirge, das zunehmend als Erholungsraum entdeckt wurde. Die Touristen, die daraufhin folgten, prägten wiederum mit ihrem Bayern-Bild die Sichtweise der einheimischen Bevölkerung auf ihre eigenen Sitten und Gebräuche. Dafür sorgte u.a. auch die Weltausstellung Ende des 19. Jahrhunderts in Paris, auf der Bayern mit 300 Gemälden vertreten war – zumeist Postkartenidyllen aus dem Vorgebirge.
Solcherlei idealisierte Vorstellungen von Bayern sorgten bereits 1880 für erste Pauschalreisen (Thomas Cook: „Ober Ammergau and the rest of Central Europe“), vor allem für die reisefreudigen Engländer. Adelige wie König Max Joseph, Sisis Vater, machte wiederum die Tracht – vormals reine Arbeitskleidung – salonfähig und erhob die Zither vom Arme-Leute-Instrument zur bedeutendsten Protagonistin der Volksmusik. Das erklärt einiges.
Doch beim Gang durch die Ausstellung finden sich auch Exponate, für die der Besucher zum Teil mühsam einen Zusammenhang zum gewählten Thema herstellen muss; nicht immer unterstreichen sie in ihrer Aussagekraft den gewählten Ausstellungstitel. Die Existenz und Verortung der Königsschlösser (samt zwei nie verwirklichten Plänen) ist Thema einer Show im eigens dafür errichteten Pavillon, die mit hohem multimedialen Aufwand mehr Effekte als Erkenntnisse produziert. Trotzdem meint man das Phänomen „Bayern“ besser verstanden zu haben, wenn Sätze wie „Denn Bayern ist, was die Fremden dafür halten.“ Erklärungsversuche anbieten. Und zahlreiche Einzelexponate entfalten ihre ganz eigene Geschichte wie der 3000 Jahre alte Einbaum aus dem Starnberger See oder die Xylothek (Baumbibliothek) samt Schädlingen aus dem 18. Jahrhundert – Zeugnisse früher systematischer Forstwissenschaften. Einen Besuch ist sie deshalb auf jeden Fall wert.
Begleitet wird die Landesausstellung von einem vielfältigen Rahmenprogramm mit rund 80 Veranstaltungen im gesamten Landkreis. Sie kann von 3. Mai bis 4. November 2018 im Kloster Ettal besucht werden (täglich 9-18 Uhr, Eintritt Erwachsene 12 Euro).
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von Solveig Michelsen