Mit dem Siegeszug von Online-Tourismusportalen wurde das große Reisebüro-Sterben erwartet. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Zahl der stationären Dienstleister steigt sogar. Allerdings verändert sich ihr Geschäftsbereich.
In Deutschland wollen viele Menschen bei der Reisebuchung offenbar nicht auf die Beratung durch einen Experten verzichten. Diesen Schluss legt jedenfalls ein überraschender Trend nahe. Denn trotz der zunehmenden Konkurrenz durch Online-Anbieter sind die klassischen Reisebüros keineswegs auf dem Rückzug. Stattdessen erhöhen sich sogar Zahlen und Umsätze. Schon das zweite Jahr in Folge hat der Deutsche Reiseverband (DRV) Zuwächse für die stationären Reisebüros verzeichnet.
Nach einem Plus um 100 Geschäfte im Vorjahr nahm die Zahl den Angaben zufolge von 2014 auf 2015 von 9.829 auf 9.880 weiter zu. Der Zuwachs spiegelt einen steigenden Umsatz wider. Er erhöhte sich um drei Prozent auf 23,7 Milliarden Euro. Damit hat der Gesamtumsatz des Reisebüromarktes wieder fast das Niveau des Jahres 2000 mit 25,1 Milliarden Euro erreicht. Allerdings lag damals die Zahl der stationären Reisevermittler noch um rund 50 Prozent höher bei 14.213.
Langfristig statt Last Minute
Im Reisebüro um die Ecke wird vor allem langfristig gebucht. Durchschnittlich 113 Tage vor Reiseantritt, um genau zu sein. Bei Online-Buchungen beträgt der Abstand 79 Tage. Wichtigster Zielflughafen bei im Internet abgeschlossenen Reisen ist mit großem Abstand Antalya mit 22 Prozent Anteil.
Trotz des Plus’ für stationäre Reisebüros wächst der Anteil des Online-Handels weiter. Er stieg binnen drei Jahren von 28,6 auf 35,5 Prozent. „Einzelbuchungen zum Beispiel für Flug oder Bahn sind seit Jahren in klassischen Reisebüros rückläufig“, sagte DRV-Präsident Ralf Hieke der Deutschen Presse-Agentur. „Das Hauptgeschäft für den stationären Handel sind Pauschalreisen.“ Bei Online-Buchungen wird hingegen ein Trend zu Individualreisen festgestellt, bei denen sich Kunden ihren Urlaub maßgeschneidert zusammenstellen.
Laut dem DRV kommen mittlerweile im Bundesschnitt 11,2 Reisebüros auf jeweils 100.000 Einwohner. Die höchste Dichte gibt es in Sachsen (15,1), die geringste in Schleswig-Holstein (9). Nur 620 Reisebüros gehören übrigens nicht einer Kette, einem Franchisesystem oder einer Kooperation an.
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Von Hannah Sommer