Telefonieren wie zu Hause

EU schafft Roaming ab
Telefonieren im Urlaub wie zu Hause © MichaelDeLeon, iStock

Bei Reisen ins europäische Ausland genauso viel für Telefonieren und Surfen zahlen wie zu Hause? Keine lästigen und teuren, für den Wochenendtrip eigens abgeschlossenen Datenpakete mehr? Dieser Traum vieler Städtebummler wird bald wahr werden. Das EU-Parlament hat die Abschaffung der Roaming-Gebühren innerhalb Europas beschlossen. Die Zusatzkosten werden zunächst noch einmal per gesetzlicher Regelung verringert, bevor sie 2017 dann ganz wegfallen.

Mitte 2017 wird es so weit sein: Die Gebühren für Telefonieren und Surfen im Ausland, die Handynutzer bisher immer schlucken mussten, werden dann Geschichte sein. Das EU-Parlament hat die Abschaffung der Roaming-Kosten für Juni 2017 beschlossen. Damit gingen die Abgeordneten einen Kompromiss ein. Mehrere Mitgliedsländer hatten sich gegen den ursprünglichen Plan der EU-Kommission gestellt, der vorsah, die Gebühren bereits Ende 2015 abzuschaffen: Man brauche eine längere Übergangsfrist. 

Abschaffung in zwei Schritten - 2017 ohne Gebühren in ganz Europa

Das Ende der ungeliebten Roaming-Gebühren kommt in zwei Schritten. Zunächst wird der Spielraum für die Mobilfunkanbieter noch kleiner. Konnten sie bisher noch 19 Cent pro Minute auf den normalen Preis eines ausgehenden Gesprächs aufschlagen, dürfen es ab 30. April 2016 nur noch 5 Cent pro Minute sein, die vom Kunden draufgelegt werden müssen. Für ankommende Anrufe dürfen dann gar keine Zusatzkosten mehr anfallen (bisher 5 Cent pro Minute), für SMS nur noch maximal 2 statt bisher 6 Cent. Für mobiles Internet dürfen nur noch maximal 5 Cent pro Megabyte aufgeschlagen werden, bisher konnten bis zu 20 Cent mehr verlangt werden – sämtliche Preise verstehen sich zuzüglich der Mehrwertsteuer. 

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Roaming (engl. herumstreunen, herumwandern) bezeichnet den Vorgang, dass sich ein Mobilfunkteilnehmer in einem fremden Netzwerk einwählt, das nicht seinem Heimat-Netz entspricht.

Im zweiten Schritt wird dann ab Juni 2016 die Nutzung fremder Netze innerhalb der Europäischen Union komplett kostenlos sein, surfen und telefonieren ist dann im EU-Ausland gleich teuer wie zuhause. Für viele Kurzurlauber oder Vielflieger dürfte das eine riesige Erleichterung darstellen. Endlich ist man auch im Urlaub jederzeit erreichbar und kann die aktuellsten Geschehnisse aus der Heimat bequem auf dem Smartphone mitverfolgen, ohne sich gleich Gedanken über die Handyrechnung machen zu müssen. Auch für Datenpakete, die viele Kunden bei ihrem Anbieter Monat für Monat buchen, stellt die geplante Aufhebung der Roaming-Gebühren eine Erleichterung dar. Freiminuten, Frei-SMS und Datenvolumen können im Ausland in Zukunft einfach genauso weitergenutzt werden. Das gilt natürlich auch für Kunden mit Telefonverträgen, auch sie können ihre Inklusiv-Einheiten sowohl im Ausland als auch zuhause aufbrauchen.

Einschränkungen gegen „permanentes Roaming“

Die einzige Einschränkung gibt es für sogenanntes „permanentes Roaming“: Kunden könnten sich im Ausland günstige SIM-Karten und Tarife besorgen und diese dann im heimischen Netz dauerhaft nutzen. Das fürchten gerade deutsche Mobilfunkhersteller, denen ein solches Vorgehen der Kunden Umsatzeinbrüche bringen könnte. Doch „permanentes Roaming“ soll ausgeschlossen sein. Das soll erreicht werden, indem es dann eben doch Obergrenzen für Roaming geben wird. Wie genau das aussehen wird, muss die EU-Kommission dann erarbeiten.

Allgemein ist das Vorhaben der EU, die Verbraucher mit günstigen Roaming-Tarifen zu schützen, natürlich nachvollziehbar. Die Kommissare müssen aber auch aufpassen, die Mobilfunkanbieter nicht zu vergraulen, die wichtige Arbeitsplätze in ganz Europa garantieren. Zudem sind die Einnahmen der Konzerne die finanzielle Basis für Investitionen in Netzausbau. Um die Infrastruktur für schnelles Netz in ganz Europa herzustellen ist die Politik auf die Mitarbeit der Telekommunikationsunternehmen angewiesen. Deshalb bemüht sich auch die EU-Kommission, die Interessen der Konzerne zu respektieren. Grenzenübergreifendes Lobbyieren und Preisabsprachen, die vermutlich infolge der Abschaffung der Roaming-Gebühren geschehen werden, sind natürlich nicht gern gesehen, werden in diesem Fall aber wohl geduldet werden. 

Ab Sommerurlaub 2017: Roamingfrei in ganz Europa – Was macht die Schweiz?

Für Reisende aber ist das roamingfreie Europa eine super Nachricht – ab dem Sommerurlaub 2017 kann laut sparhandy.de überall wie gewohnt telefoniert werden. Ein kurzer Anruf zuhause, ein paar Bilder vom Strand für die Daheimgeblieben oder die neuesten Fußballergebnisse aus der Heimat können so ohne weiteres verschickt und empfangen werden. Der Stress, sich vor dem Urlaub oder Wochenendtrip extra einen Auslandstarif organisieren oder hinzubuchen zu müssen, oder aus Kostengründen sogar eine extra Kreditkarte zu besorgen, fällt in Zukunft weg.

Für die Schweiz gilt die Neuregelung der EU zunächst einmal nicht – die Eidgenossen sind bekanntlich kein Mitglied in der Wirtschaftsunion. Zuletzt wurden die Deckelungen des EU-Parlaments für die Auslandstarife zumindest von deutschen Mobilfunkbetreibern auch im Alpenstaat angewandt, vordergründig der Bequemlichkeit der Nutzer wegen, die sich so keine Extra-Regelung merken mussten. Schließlich fahren viele Italien- oder Frankreichurlauber durch die Schweiz, die natürlich auch generell als Urlaubsland sehr beliebt bei den Deutschen ist. Bei der Durchfahrt durch die Schweiz einen anderen Tarif anzuwenden als im Urlaubsland Italien würde bei vielen Kunden auf Ärgernis und Unverständnis sorgen. Ob die Schweizer Netzbetreiber sich aber auch auf eine Abschaffung der Roaminggebühren einlassen, steht im Moment noch in den Sternen – ganz unwahrscheinlich ist dies aber nicht.

Kritiker sehen Netzneutralität gefährdet – „Zwei-Klassen-Internet“

Im Zuge des Beschlusses zur Deckelung und letztendlichen Abschaffung der Roaming-Gebühren wurde im Übrigen auch erneut bekräftigt, dass Netzneutralität ein Grundkriterium bleiben soll. Das heißt im Klartext: Niemand soll sich schnelleres Internet erkaufen können. Kritiker sehen in der aktuellen EU-Verordnung aber Schlupflöcher, es heißt dort, dass spezielle Dienste im Web bevorzugt werden dürfen. Darin sehen viele eine Gefahr, so monierte etwa EU-Abgeordnete Julia Reda von der Piraten-Partei, ein „Zwei-Klassen-Internet“ werde geschaffen, weil Providern jetzt erlaubt wird, bestimmten Datenverkehr zu drosseln und anderen schneller abzuwickeln.

Reise-Fans wird das wohl vorerst nicht stören: Im Ausland ist man oft froh, wenn es mit dem Internet überhaupt hinhaut, wie schnell oder langsam es auch sei. Das wird in Zukunft sogar günstig möglich sein – da macht das Sonnenuntergangs-Selfie am Strand doch gleich noch einmal mehr Spaß!