Einsame Strände: Kretas Karibik

„Alle schlimmen Dinge passieren bei Südwind“, flucht der dicke Manolis. Und tatsächlich gesellt sich zur lästigen Autopanne auf der serpentinenreichen Panoramastraße zwischen Agios Nikolaos und Sitia auch noch der unerträglich heiße Schirokko. Mit heftigen Böen pustet das himmlische Kind aus dem gar nicht so weit entfernten Afrika herüber. Manolis reibt sich den gelben Saharasand aus den Augen, schmiert das Motoröl ans Hosenbein und spuckt nebenbei noch rotzige Töne gegen den Wind: ,Gaddafis lange Zunge’ nennen wir den grässlichen Sturm aus Libyen. Früher begannen die meisten Blutfehden an solchen Tagen.“

Gute Strände im „guten Dorf“

Dem Charme des Panoramaplätzchens tut das aber keinen Abbruch: Ausladend zieht sich die kretische Riviera am südlichen Mirabello-Golf entlang. In kleinen Buchten verstecken sich hübsche Badenischen und Strandtavernen, während die älteren Siedlungen aus Angst vor Piratenüberfällen lieber einige Kilometer weiter in Richtung der sicheren Berge angelegt wurden. Kalo Chorio ist so ein Nest, gut 12 km südöstlich von Agios Nikolaos. Der Name bedeutet „gutes Dorf”, und gut sind auch die Strände von Kalo Chorios Vorort Istro: Neben der lang gezogenen Istro Bay ziehen sich mehrere feine Kies- und Sandbuchten am Fuß der überhängenden Steilwände und Felsen. Hier beschreibt die Südseite der Mirabello-Bucht einen Bogen, und die bizarren ockerfarbenen Berge treten nahe ans Wasser heran.

Hinterm Luxusresort: der Palmenhighway

Die Mirabello-Bucht gilt als Zentrum des kretischen Luxustourismus, ein Ort für Filmstars und Millionäre. Rund um Elounda hat sich eine Ansammlung von exklusiven Resorts entwickelt, die in ganz Griechenland ihresgleichen sucht. Doch wer nach einsamen Stränden Ausschau hält, fährt noch weiter nach Osten. Hinter Sitia verläuft etwa der „Palmenhighway“, die Straße nach Vai. Trockener und windzerzauster wird die Gegend hier. Vereinzelte würfelige Häuser und wenige gegen den Boden geduckte Baumreste hocken in den von der Sonne gebackenen Mulden. Disteln und Zistrosen krallen sich neben struppigen Grasnaben am steinigen Boden fest, und schwarzbraune Wildziegen haben Kretas Schafherden längst in saftigere Regionen abgedrängt. Gut 20 km östlich von Sitia taucht das Kloster Moni Toploú wie eine Fata Morgana zwischen rauen Hügelkuppen auf. Wenig später lässt Nordafrika grüßen – in Form von Europas einzigem größeren Palmenstrand.

Antike Mauern und Robinsons

Wirklich einsam wird es aber an anderen Orten. Die feinkieseligen Buchten von Itanos, einst der östlichste griechische Stadtstaat auf Kreta, wären so eine Option. Wenige Kilometer nördlich von Vai liegen die Reste der Stadt, die noch in byzantinischen Tagen eine letzte Blüte erlebte. Später wurden die antiken Steinquader gemeinsam mit unbehauenen Felsen zur bäurischen Siedlung Erimoupolis aufgeschichtet. So finden sich heute Ruinen von frühchristlichen Kirchen neben korinthischen Marmorkapitellen und dazwischen die zum Trocknen aufgehängten Bikinis der neuzeitlichen Campingurlauber.