Szenenwechsel: die „Public Library“ der Tempelstadt Puri. Ein Hauch von Mahatma, Nehru und dem Indien der 60er-Jahre, das mit Spinnrad und Philosophie die Welt verändern wollte, liegt über den vergilbten Büchern und Zeitschriften des Raums – und ein Flachdach mit dem besten Blick auf Puris Jagannath Tempel, dessen Besuch für Nicht-Hindus verboten ist. Der Tempel zählt zum exklusiven Club der vier Dhams, dem „Grand Slam“ der großen hinduistischen Pilgerreise. Dicht gedrängt rudern die Pilger aus ganz Indien durch das Meer der Händler: Jasminblüten und Samosas, Kartoffelschäler, Amulette und Bildchen des glubschäugigen Lord Jagannath, der lokalen Gottheit Puris, werden hier verhökert.
Ganz anders als das eine gute Autostunde entfernte, museale Bhubaneswar präsentiert sich Puri als geschäftige Business-Tempelstadt. Wenn im Juni oder Juli das berühmte Wagenfest stattfindet und 4000 Tempelbedienstete die 14 m hohen Wagen mit dicken Seilen ins Rollen bringen, platzt die Stadt aus allen Nähten. Doch vor allem ist Puri ein beliebter Badeort – der bekannteste an der weiten Bay von Bengalen.
Auch der rund 30 km weiter östlich gelegene Sonnentempel von Konarak ist ein lohnendes Ziel. Spärlicher und kleiner werden die Dörfer unterwegs. Ein Naturschutzgebiet erstreckt sich entlang der durchwegs unverbauten, von Buschland und kleineren Lagunen gesäumten Küste. Kein Wunder, dass auch die Götter ihren Wagen hier parken ließen: Riesige Steinräder hat der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Sonnentempel von Konarak, der im Prinzip einen riesigen steinernen Wagen darstellt.
Die Räder – Symbol des ewigen Kreislaufes von Entstehen und Vergehen – sind Konaraks berühmtestes Detail. Zahllose weitere Finessen können die Guides auf den reich behauenen Wänden und Säulen nachreichen: Tempeltänzerinnen in gewagten Stöckelschuhen, eine afrikanische Giraffe – und natürlich Adults only-Steinmetzerein: Kamasutra plus Kreuzweh versprechen die Liebesverrenkungen allemal. Verpassen sollte man aber auch die Abendshow nicht. Wenn es dunkel wird, die Luftwurzeln der Banyanbäume die lila Dämmerung verrühren, macht der Sonnentempel ausnahmsweise auf Hollywood. Spektakulär leuchten die Steine in den schrägen Kunstlichtfarben der einzigen Flutlichtanlage weit und breit. Hätte man nicht knapp vorher hinter die Wände und in die Nischen des Sonnentempels geguckt – glatt könnte man ihn für eine perfekte Filmkulisse halten.
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