Wer das einst wertlose Stück Land, das die Westler im Laufe der Zeit hier bepflanzten, besucht, nimmt die Utopie der auf Autarkie ausgerichteten, 1968 gegründeten Siedlung Auroville durchaus ernst. Die Felder zwischen den einzelnen Dörfern der Projektsiedlung haben sich in fruchtbare Böden verwandelt. Agaven rahmen die Erdwege. Bananenstauden, Laubbäume, Palmen wachsen wie Tropenkraut und -rüben durcheinander – als die ersten Vögel kamen, hatte die Halbwüste verloren. Auch die einheimischen Bauern zeigten allmählich Interesse an den neuen Anbausystemen, und angrenzende Dörfchen wie Ilaignarkal erhielten Abendschulen und Gesundheitszentren.
Heute verteilen sich zwanzig tamilische Bauerndörfer über das Auroville-Gebiet, in dem 2000 Zuzügler aus zwei Dutzend Staaten das „Yoga der Arbeit“ leben. Eigenständige Architekturstile charakterisieren die mehr als 50 verstreut liegenden Wohndörfer. Alle erwirtschafteten Gewinne fließen dem Gemeinwohl zu, finanzielle Autarkie und umweltverträgliche Wirtschaft sind angestrebte Zielsetzungen. Von der Bio-Erdnussbutter bis zu elektronischen Bauelementen erstrecken sich heute die Erzeugnisse. Nicht zu vergessen der sonderbare Kugelbau des Matrimandirs, Aurovilles spirituelles, der Meditation vorbehaltenes Zentrum. Vergoldete Blüten mit je fünf kreisrunden Blättern glänzen im Sonnenlicht, das durch einen einzigen Strahl ins Innere fällt, dort auf eine optisch perfekte Kristallkugel, Made by Carl Zeiss, trifft. Eine spleenige Riesenmurmel, wenn man so will. Für Aurovilliens ist sie schlicht die Seele ihrer Welt.
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