Schließt man kurz die Augen, dann „sieht“ man die Kathedrale – mit den Ohren. Das gelingt allerdings nicht immer. Sondern nur dann, wenn der ehrenamtliche Chor von Durham Cathedral den berühmten Bau ganz sachte in Schwingung versetzt. Die Töne das Hauptschiff zunächst leise umspülen, es schließlich zur Gänze ausfüllen. Fast meint man, den Zauber der alten Kathedrale herauszuhören: das Wispern des berühmten Kreuzgewölbes, das Kunsthistoriker auf Anhieb als Übergang vom romanischen zum gotischen Baustil identifizieren. Auch den langen, gestreckten Grundriss kann man vielleicht „hören“, und die mächtigen Säulen, unter deren Rundbögen tagsüber Stille herrscht.
Achtmal pro Woche tritt der Chor in Durhams Kathedrale im Durchschnitt an. Dann schweigen auch die Architekturkenner gerne für einen Moment, lassen das berühmte Gewölbe als Resonanzkörper auf sich wirken. Was es besonders während der „Candlelight Christmas Concerts“ tut, die das English Philharmonic Ensemble nach Durham führen und den lokalen Chor kurz zur Seite treten lassen. Tausende Kerzen und ein Trompeten-Solo. Vivaldis „Winter“, Händels „Messias“, aber auch Spaghetti-Western-Sound wie Ennio Morricones „Gabriel’s Oboe“ hallen von den Wänden wider. Und dann heißt es auch für die altehrwürdige Durham Cathedral: Mehr Weihnachten geht nicht.
Dass der Reisebuchautor Bill Bryson den beeindruckenden Bischofssitz, mit dessen Bau im Jahre 1093 begonnen wurde, einmal die „schönste Kathedrale der Erde" genannt hat, mag an allen übrigen Tagen vielleicht etwas überzogen wirken. Aber immerhin: Eine Kathedrale der Superlative taucht da über dem Fluss Wear auf, ein Kalkriff aus einer anderen Zeit. Kein Wunder, dass Durham Cathedral zu der ersten Stätten Großbritanniens zählte, die UNESCO-Weltkulturerbestatus erlangte – anno 1986 war es für das herausragende Meisterwerk normannischer Baukunst so weit.
Steigt man die 325 Stufen der Turmtreppe hinauf, dann erkennt man noch viel mehr. Sieht auf Anhieb, dass sich im Schatten dieses Bollwerks gegen die Schotten, das der legendäre Normannenkönig Wilhelm der Eroberer anlegen ließ, eine prosperierende Stadt entwickelte: Durham City, ein Ort an dem über die Jahrhunderte Geschichte geschrieben wurde. Und der zu Weihnachten seinen ganz besonderen Charme spielen lässt.
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