Eiszeitexil für seltene Pflanzen

Im Idealfall nähert man sich den vielen endemischen Pflanzen und Insekten, die nur in dieser Gegend existieren, auf einem der Wanderwege durch die Bergwelt. Dabei lassen sich Pflanzenraritäten entdecken, die sich seit dem Ende der letzten Eiszeit in ihr exklusives Südbulgarienexil zurückgezogen haben. Etwa die Rhodopen-Tulpe, eine der seltensten Pflanzen der Welt, beschränkt auf einen einzigen bekannten Fundort beim Dorf Yambol, und auf wenige Dutzende Exemplare. Leichter als deren rosafarbene Blüte entdeckt man indessen die schiere Vielfalt: Dem Pirin-Nationalpark bescheren die aus 1100 Pflanzenarten gewobenen Blütenteppiche längst UNESCO-Weltnaturerbestatus.

Balance zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Balance zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Ein Hauch von Cézanne und Impressionistengärten ist den intakten Steinhäuserensembles dieser Dörfer eingebrannt – aber auch das Bewusstsein, dass sie rare, lebendige Freilichtmuseen sind. Das ganz im Westen der Rhodopen gelegene Kovacevica ist ein typischer Fall für diese delikate Balance. Davon zeugen, neben behutsamer Restaurierung, auch die dicken Autos mit Kennzeichen aus Sofia. Hier und da hängen Schaffelle an den geschnitzten Holzbalkonen der oberhalb der Natursteinsockel auskragenden Häuser, und Aquarellstaffeleien stadtmüder Bulgaren vergrätschen sich hinter dem Lattenzaun der kleinen Gemüsegärtchen. Grau leuchtende Schieferdächer sind auf den Bildern zu sehen, und Bauformen, die vom osmanischen Erbe dieser historischen Grenzregion erzählen. Dazwischen tauchen Malvenstauden, Rosenhecken auf, und neuerdings auch mit Naturstein umrahmte Swimmingpools – Wellnessbauten neueren Datums, die von einer zukünftigen Ära künden.

Text: Robert Haidinger