20. Februar 2007: Welcome to Crocodile Dundee Country

Eigentlich ist es mein ganz persönlicher Alptraum: eine Nationalparktour in einem Reisebus. Heute aber erwischt es mich. Statt eines Geländewagens oder Minivans mit Vierradantrieb wartet ein silberner Riesenbus mit blauem Windhundemblem im Morgengrauen am Transit Centre Darwins, um uns zum Kakadu-Nationalpark zu bringen. Außer mir fahren noch drei weitere Reisende mit, wir sehen uns verwirrt an - satte 95 % unseres Busses sind leer.

Wir steuern das von der UNESCO als “Erbe der Menschheit“ ausgewiesene Parkterrain an. Unser erster Stopp: die Nourlangie-Felsformation – eine jahrtausende-alte Steingalerie. Hier haben die Aborigines bereits vor mehr als 20.000 Jahren Geschichten auf Sandstein gemalt. Perfekter Startpunkt meiner Reise zum spirituellen Erbe der Ureinwohner. Die Bilder und Symbole erzählen von Jagderfolgen und aus der Traumzeit. Zeichnungen des hier besonders beliebten Barramundi-Fisches im Röntgenstil, der Innereien und Gräten zeigt, sind ebenso zu sehen wie Nabulwinjbulwinj, ein böser Geist, der Frauen verspeist und Ngalyod, die Regenbogenschlange, eines der wichtigsten Schöpferwesen. Die Malereien erzeugen Ehrfurcht und Respekt vor der ältesten lebendigen Kultur der Welt, der diese Zeichnungen als Wissensspeicher dienen. Doch nicht nur dieses gigantische Bilderbuch aus vergangenen Zeiten fasziniert mich. Vom Nawurlandja-Aussichtspunkt schweift mein Blick über Felsvorsprünge und tropische Baumwipfel hinüber ins geheimnisvolle Arnhem Land. Es ist das größte Gebiet im Besitz der Aborigines – das ohne Genehmigung kein Fremder betreten darf. Hier können die Ureinwohner ihr traditionelles Leben führen, fernab der Zivilisation.

South Alligator Rivers

Auf mich wartet eine Bootsfahrt auf den „yellow waters“ des South Alligator Rivers. Als ich das Boot besteige, überlege ich, ob ich mal wieder auf ein touristisches “must“ hereingefallen bin; denn es scheint, als wollten alle Nationalparkbesucher gleichzeitig dieses Erlebnis mit mir teilen. Doch die Bootstour wird zu einem wahrhaft urzeitlichen Abenteuer. Die Tier- und Pflanzenwelt erinnert an Jurassic Park – immer wieder tauchen Krokodile vor meiner Nase auf, kreischen Vögel und wenn nicht gerade ein Teppich leuchtender Wasserlilien in knallpink neben dem Boot liegt, ragen Baumstämme aus Sumpflandschaften. Ohne Zweifel: Die Krokodil-Warnschilder müssen hier ernst genommen werden! Die „Echsendichte“ ist einmalig. Jetzt wird mir klar, weswegen köstliche Krokodilschenkel im „Roadkillcafé“ in Darwin gerade mal 2 Euro kosten. Wer auf zartes Hähnchenfleisch steht, sollte die Kroko-Variante auf alle Fälle probieren!

Bette, meine Nebensitzerin, springt plötzlich auf und ruft: „Da, da, ein Azure Kingfisher!“ Es dauert einen Moment, bis ich den Vogel im Geäst entdecke. Die Farbe seines Gefieders ist ein leuchtendes Tintenblau, wunderschön! Nachdem Bette den Startschuss gegeben hat, scheint es, als ob das ganze Boot voll von Hobby-Ornithologen ist. Aus der einen Ecke tönt es: „Dort drüben, ein Sea Eagle!“, aus der anderen: „Hast du den Jabiru gesehen?“
Auf einmal wünschte ich, ich würde statt in diesem kleinen, vollgestopften Boot in einem Riesenkutter sitzen – mit nur drei anderen. Dann könnte ich den Sonnenuntergang in aller Ruhe genießen.