Buenos Aires ist vieles — nur nicht leise. Der Abend beginnt hier frühestens um 21 Uhr und endet erst in den frühen Morgenstunden.
Die meisten Argentinier sind südeuropäischer Herkunft und kommen aus Italien, Spanien und Frankreich. Das erklärt vielleicht auch, warum sie so nachtaktiv sind. Ganz Buenos Aires sitzt abends beim Bier oder Rotwein. Gegessen wird erst spät am Abend.
Daher gibt es vorher einen Snack. Im „Las Violetas”, dem etwas abgelegenen traditionsreichen Café an der Avenida Rivadavia, servieren Kellner in weißen Jacketts formvollendet Kuchen, kleine Sandwiches oder einen Aperitif. Bleiverglaste Fenster und hohe Decken schmücken das Art Nouveau Café.
Für den richtigen Hunger: Ein Geheimtipp ist das preisgünstige und hervorragende „Restaurante los Remanseros” an Avenida Medrano. Es liegt nicht in einer Tourismusschneise – hier gehen Argentinier essen. Das Bife de Lomo (Rinderfilet) und das Bife de Chorizo (Rumpsteak) schmecken fantastisch.
Für einen Besuch in einer typischen, traditionellen Eckkneipe mit authentischen Gerichten und saftigen Steaks ab ins „El Bar del Gallego”. Über ganz Buenos Aires liegt ein Aroma von Holzkohle und Rinderfett aus den „Parillas”, so heißen hier die Grillrestaurants.
Der Sänger Carlos Gandel hat den Tango weltweit vor fast hundert Jahren salonfähig gemacht und damit auch Argentinien eine Stimme gegeben. Er brachte den Tango nach Paris, wurde Weltstar und kam 1935 bei einem Flugzeugunglück ums Leben. Jetzt bringt der ernste Tanz viele Begeisterte nach Buenos Aires.
Über die ganze Stadt verteilt laden „Milongas” (Tanzlokale) ein, für ein paar Euro dem Schauspiel zuzusehen. Authentisch ist zum Beispiel der „Club Gricel”. Wer den Tanz beherrscht, kann natürlich mitmachen. Ein kurzer Augenkontakt, dann ein rasches Kopfnicken des Mannes, das von der Frau ebenfalls mit einem Nicken beantwortet werden muss. Dann kommt der Mann zum Tisch und holt sie ab - Männer und Frauen sitzen getrennt.
Beim schleichenden Gang der Tangotänzer ist der Oberkörper dicht an den Tanzpartner gedrückt, die Gesichter liegen beieinander. Plötzliche Richtungs- und Tempiwechsel geben dem Ganzen dramatische Züge. Melancholie liegt in der Luft. Das Bandoneon (auch Schifferklavier oder Quetschkommode genannt) ist der deutsche Beitrag zum Tango.
Abends ist der Stadtteil Palermo Viejo angesagt. Besonders in den Teilen Palermo Hollywood und Palermo Soho geht es am Wochenende hoch her. Wo tagsüber viele kleine Boutiquen Schuhe und Klamotten anbieten, wird später am „Plaza Catazar” in den Restaurants, Bars und Clubs geflirtet, gefeiert und getrunken. Das rege Nachtleben zieht sich bis in die Morgenstunden. Es ist laut, lebendig und zwischendurch düst auch mal ein alter VW-Bus mit Surfbrett auf dem Dach vorbei. Buenos Aires ist alles - nur keine leise Stadt.
Wer abends lieber kulturell „unterwegs” sein will, kann den Geheimtipp „Dain Usina Cultural” aufsuchen. Die Buchhandlung ist ein Kulturzentrum mit Restaurant, in dem viele Veranstaltungen stattfinden. Auf der Dachterrasse kann man sich an einen Tisch setzen oder es sich auf einem der vielen Loungebetten gemütlich machen. Oder man besucht ein Musikkonzert im „Ciudad Cultural Konex”. Zum Tanzen und Musik hören ist das Konex ein Erlebnis.
Argentinier sind fröhlich, aber weder bescheiden noch leise. Man sagt über die Portenos, sie seien leicht zu lieben und schwer zu vergessen.
Von Alrun Steinrück